Also ehrlich, es kam schon einem Schock gleich, was uns das Internet und andere schnelle Medien zu später Stunde am 4. Mai mitteilten: Der große Musiker, Sänger, Komponist und Produzent Abi Ofarim starb mit 80 Jahren inmitten seiner Angehörigen in seiner Schwabinger Wohnung. Gerade als er glaubte, nach langem Aufenthalt im Krankenhaus und Reha endlich den Berg überwunden zu haben. "Was ich mitgemacht habe, war die Hölle. Ich kam mit einer Lungenentzündung in die Klinik, da habe ich eine Influenza bekommen und bin ins Koma gefallen. In der Reha hat man mir versehentlich die Lunge angestochen und einmal wäre ich fast gestorben, weil ich die falschen Tabletten gekriegt habe. Dann bekam ich auch noch eine Herz-OP. Es war schlimm, aber ich bin glücklich, dass ich es geschafft habe. Ich bin zurück aus der Hölle", berichtete Abi Ofarim im Oktober 2017 bei der Feier zu seinem 80. Geburtstag. Am Ende jedoch verlor der stets positiv denkende Künstler seinen Kampf gegen die lange und schwere Krankheit. Am Tag seines Begräbnisses gaben ihm etwa 300 Menschen, darunter viele Künstler, das letzte Geleit.
Starkes soziales Engagement
Was uns die Gazetten leider nur allzu oft verschweigen: Besonders die letzten fünf Jahre seines Lebens engagierte sich der israelische Musiker stark im sozialen Bereich. So eröffnete er im April 2014 zusammen mit seiner Lebensgefährtin Kirsten Schmidt in München die Begegnungsstätte "Kinder von gestern" in der Schleißheimer Straße 53, bekannt auch als das "Jugendzentrum für Senioren". Dieses soziale Projekt setzt sich zum Ziel, älteren Mitbürgern bei Armut und Einsamkeit hilfreich zur Seite zu stehen. Und viele Münchner, darunter illustre Namen wie der Musiker und Moderator Ali Kahn, die Schauspielerin Maike Billitis und der Adelsspross Alexander Fürst von Schaumburg-Lippe, zeigten Anteil oder förderten dieses Projekt sogar.
Derweil erschien die Jugend von Abi in einem anderen Licht. Geboren am 5. Oktober 1937 in einem Ort namens Safed im Norden Israels, damals "Völkerbundsmandat für Palästina", unter ärmlichen Bedingungen, zeigte der junge Mann schon früh die Neigung zu einer künstlerischer Karriere. So besuchte er mit 12 Jahren bereits eine Ballettschule. Wenige Jahre später zeigte er sein Talent als Choreograph und unterhielt sogar ein eigenes Tanzstudio. Während seiner Militärzeit lernte er dann eine gewisse Esther Zaied kennen, die ihrerseits als Sängerin und Schauspielerin unterwegs war. Beide bastelten bald an einem gemeinsamen Weg als Sängerpaar; im Jahr 1961 gaben sie sich das Ja-Wort. Erste gemeinsame Auftritte im Hebrew Theatre Club als Interpreten folkloristischer Lieder folgten schnell. Geschickt bewegten sie sich im Schatten erfolgreicher Superstars wie Frank Sinatra ins internationale Rampenlicht.
Der ESC 1963 brachte den großen Erfolg
Als Esther dann beim ESC (Eurovision Song Contest) von 1963, als sie für die Schweiz antrat, gar den zweiten Platz ergatterte, hatten es Esther & Abi Ofarim, wie sie sich von da ab nannten, schließlich geschafft. Etwa ab Mitte der Sechziger mutierte das Paar zu ständigen Gästen der weltweiten Hitparaden. Nach "Morning of my Life" erreichten Esther und Abi mit ihrem "Cinderella Rockefella" 1968, gesungen in englischer als auch in deutscher Sprache, ihren musikalischen Zenit. Sprang hierzulande ein fünfter Rang heraus, setzte sich der flotte Schlager mit Dixieland-Elementen auf der britischen Insel frech an die Spitze des Feldes.
In den späten Sechzigern erhielten die beiden insgesamt nicht weniger als fünf Goldene Schallplatten; ihr Vinyl drehte sich auf den Plattentellern nahezu der ganzen Welt. Sogar in arabischen Ländern fanden dortige Diskjockeys Gefallen an den Werken von Esther und Abi. Probleme gab's nur in ihrer Heimat; in Israel weigerten sich nämlich zahlreiche Moderatoren, ihre Zuhörer mit den Songs der beiden zu unterhalten. Grund: Ihr Erfolg in Deutschand war ihrer Meinung nach in Israel, mit Blick auf den Holocaust, nicht gerechtfertigt.
Abi - Komponist, Produzent und Manager
Als sich die Zwei 1970 trennten, peilte Abi zunächst eine Solo-Karriere in London an. Mit Iris Berben zusammen folgte an der Themse eine Zeit, die er als sorglos bezeichnete. So konnten sie stets aus dem Vollen schöpfen, als ginge das Geld nie aus. Zwei Jahre später zog es Ofarim schließlich nach München, wo er sich hauptsächlich als Komponist, Produzent und Manager betätigte und beispielsweise die Platten-Aufnahmen der Komödiantin Ingrid Steeger, als auch der Primaballerina Margot Werner gekonnt abmischte. Unvergessen die Melange von Chanson und Disco-Sound des Titels "Mein Leben ist wie ein Tanz" (1975). Als ihn die bayrischen Gesetzeshüter Ende der Siebziger wegen Drogenkonsums und der Steuerhinterziehung verhafteten, schien dieses Kapitel des Erfolges erstmal beendet.
Doch der inzwischen geläuterte Star zog daraus persönliche Konsequenzen, verzichtete fortan aufs Rauchen, selbstverständlich auch auf Drogen, und ging dem Alkohol beharrlich aus dem Weg. Der Versuch, dem Musikbusiness treu zu bleiben, gelang ihm mit seiner Langrille "Much Too Much" von 1982. Gleichen Jahres veröffentlichte Ofarim seine Autobiographie "Der Preis der wilden Jahre" und besann sich wieder auf seinen Job als Musik-Produzenten. Unglaublich, sein nächstes Album ließ - sage und schreibe - stolze 27 Jahre auf sich warten und erblickte 2009 das Licht der Welt. Das Werk "Too Much of Something" produzierte und finanzierte der Künstler in Israel selbst. Er freute sich, wenn sein Publikum seine Musik hörte, egal ob auf CD oder per Download.
"Was du wirklich willst, erreichst du auch"
Okay, Abi Ofarim hinterlässt vielleicht keine Villa in Beverly Hills und keine profitbringende Hotellandschaft in Mombasa, stattdessen eine soziale Einrichtung für Menschen, welche ihrer dringend bedürfen. Dazu in einem der teuersten Pflaster Deutschlands - in München. Verglichen mit dem "Erbe" vieler anderer Promis also aller Ehren wert. R.I.P. Abi! Lassen wir ihn am Schluss des Artikels noch einmal zu Wort kommen: Noch vor zwei Jahren erklärte der stets braungebrannte und jugendlich-agil wirkende Musiker in einem Interview hoffnungsvoll: "Ich habe aufgehört zu rauchen, ich trinke seit 35 Jahren keinen Alkohol mehr. Ich schwimme viel. Und ich denke positiv. Das klingt so blöd, aber es ist so: Was du wirklich willst, erreichst du auch!"
Joachim Eiding
Quellen: www.vip.de - www.focus.de - www.sueddeutsche.de - www.spiegel.de - www.bunte.de - www.tz.de - www.kindervongestern.de
music4ever.de - Anekdote - Nr. 112 - 06/18