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"Das schräge Prag - Hauptsitz der Betrügerfirma", Foto: bym.de

Warnung - Bei Anruf Angst

Zunächst überwog noch die Freude bei Michael G., als er seinen ältlichen Briefkasten öffnete, um ihn von der täglichen Post zu befreien. Ein Schreiben mit Stempel von Fulda? Mensch, wohnte nicht eine alte Bekannte dort in der Nähe? Geradezu euphorisch riss er das Kuvert auf, um urplötzlich ein ziemlich langes Gesicht zu machen, wobei ihm die Kinnlade bereits fast bis zum Boden hing.
Denn keineswegs war diese frühere Freundin für diesen Brief verantwortlich, sondern eine Firma aus 36094 Petersberg, Postfach 1107. Es handelt sich um eine gewisse Euro Inkasso Solutions s.r.o. - mit Sitz im schönen Prag. Hä? Verdutzt warf Michael nochmal einen Blick auf den weißen Umschlag. Doch dieser Brief ging durch die Hände der Postler in Fulda. Kein Zweifel, der Stempel war echt.
Irritiert stierte er aber auf die Anschrift dieses seltsamen Unternehmens: Euro Inkasso Solutions s.r.o., Kubelikova 1224/42 in 130 000 Prag 3 - Zizkov. Zwei mögliche Adressen? Das konnte doch nur ein Irrtum sein.

Liebesgrüße aus Prag

Doch als er sich des Inhaltes annahm, standen ihm bald die Haare zu Berge: Angeblich soll er an einem bestimmten Datum ein Telefongespräch für satte 90 Euro geführt haben - allemal ein maßlos überteuerter Betrag. Ferner nannte das mysteriöse Schreiben auch einige Telefonnummern, die Michael allerdings nicht kannte. Handelte es sich dabei auch um so genannte 0900er-Nummern. Verwirrt, auf ein baldiges Ende hoffend, legte er den Brief beiseite. Die folgende Ruhe erwies sich jedoch als äußerst trügerisch: Nur wenige Tage später flatterte dem arglosen Michael ein weiteres Schreiben der gleichen Art auf den Tisch. Auf dass gleich noch die Mahnungen folgten, diesmal schon mit drohendem Unterton. Mittlerweile erhöhte sich die geforderte Geldsumme bereits auf etwa 350 Euro.

Fein, dachte sich Michael, jetzt haben wir den Salat. Da erinnerte er sich an die Adresse der Verbraucherzentrale in München, mit Sitz in der Mozartstraße 9, nahe Goetheplatz. Ein Gespräch dort entlarvte die Euro Inkasso Solutions s.r.o. als "alt bekannte Betrügerfirma, die am Telefon Menschen abzockt". Der Trick: Die suchen überall nach persönlichen Telefonnummern und weiteren Daten von Bürgern. Anschließend verschicken sie Rechnungen sowie Mahn- und Drohbriefe über nicht geführte Telefonate. Rufen ängstliche Bürger die angegebene Telefonnummer an, geht entweder niemand ran oder diese Bauernfänger werten diesen Rückruf rechtlich dann als Einverständnis der eigenen "Geschäftsbedingungen" und haben ihr Opfer am Schlawittel.

Leider lassen sich laut Verbraucherzentrale viele Menschen von dieser Betrügerfirma regelrecht einschüchtern und wagen sich aus Angst vor den angedrohten Konsequenzen nicht, diese juristisch völlig haltlosen Drohungen zu ignorieren. Und dass dieses miese Geschäft boomt, sieht man schon daran, dass die Typen aus Prag dies seit Jahren betreiben und sich so alle vier bis fünf Jahre umbenennen.
Recherche bei der Verbraucherzentrale und im Internet förderte Erstaunliches zu Tage: Dieses Unternehmen verfügt über keinerlei Lizenz, hierzulande als Inkassofirma aufzutreten, um für meist dubiose Kunden Schulden einzutreiben. Gleiches gilt auch für die Telefonkosten: Große Dienstleister wie beispielsweise 1&1 kennen die Prager Firma überhaupt nicht und arbeiten folgerichtig auch nicht mit dieser zusammen.

"Prag kann auch schön sein", Foto: gruppenmanager.com

Pontius Pilatus in Oberföhring

Hinter allem stecken vor allem, so scheint es, zwei Namen: Monika Agler und David Hrubý, beide in der Hauptstadt Tschechiens ansässig, gelten als so genannte Geschäftsführer. Wer jedoch glaubt, diese Leute agieren nur von Prag aus, irrt gewaltig. Denn zunächst werden die "Rechnungen" offenbar von Petersberg nahe Fulda aus geschickt. Ferner schaltet sich nach einiger Zeit meist noch ein weiteres Unternehmen ein: für den Raum München ist dies die polizeibekannte Allinkasso GmbH Inkassobüro mit mehr als zweifelhaftem Ruf, im Ortsteil Oberföhring. Die dortige Geschäftsführerin Michaela Hilg und die "qualifizierte Person" Christiane Graefen, in der Oberföhringer Straße 93 (Fon: 089/95722010), verweisen bei Klagen verärgerter Bürger gern auf ihren Mandanten R.M.I., mit Firmensitz in Road Town, Hauptstadt der British Virgin Islands (Karibik), und baden ihre Hände - wie einst Pontius Pilatus - in Unschuld. Doch wäre es naiv anzunehmen, sie hätten mit der Prager Firma nichts zu tun. Laut Verbraucherzentrale stecken die alle unter einer Decke. Die Kundenschützer gehen gar davon aus, dass letztendlich Frau Hilg höchstpersönlich hinter allem steckt. Dann ständen nämlich in Prag und in Road Town je nur Briefkästen - eine wahre kafkaeske Situation. Somit greift der Verbraucher stets ins Leere.

Aber es bleibt nicht bei Briefen. Nach einiger Zeit läutete bei Michael öfters das Telefon. Wer, genervt von Post und Klingeln, den Hörer aufnimmt und sich beschweren will, tappt auch hier in die Falle dieser Gauner. Denn, wie schon erwähnt, werten die einen Rückruf als Eingeständnis der Inanspruchnahme eines Dienstes dieser obskuren Company. Da ist also guter Rat teuer!
Vor allem weil diese Leute so schnell nicht aufgeben; die verbeißen sich regelrecht in die Waden der "Kunden". Diese Erfahrung musste auch Michael machen. Was Anfang Januar mit einer simplen Post begann, überdauert - mit einer Pause - schon bis September.

"Road Town, Hauptstadt der British Virgin Islands - ein Traum für Briefkastenfirmen", Foto: vacationtortola.com

Nicht reagieren, nicht zahlen!

Was tun? Experten in dieser Frage raten zunächst, auf gar keinen Fall auf Briefe oder Anrufe zu reagieren. Dies hätte, wie bereits beschrieben, überhaupt keinen Sinn. Noch schlimmer stellt sich die ohnehin nervige Situation für die Opfer da, falls diese tatsächlich die juristisch völlig haltlosen Rechnungen und Mahnungen begleichen. In diesem Fall, so die Anwälte, blieben die zu Unrecht bezahlten Euro auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Fazit: Nicht reagieren! Nicht zahlen!
Sollte Euch allerdings wider Erwarten ein gerichtlicher offizieller Mahnbescheid ereilen, müsst Ihr unbedingt dagegen beim Gericht Widerspruch einreichen (schriftlich/Einschreiben mit Rückschein), andernfalls droht neues Ungemach: Die Stelle, welche über Mahnbescheide entscheidet, prüft nämlich nicht den Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Bescheides, sondern sorgt nur für den gesetzlich korrekten Ablauf dieser Sache. Und dieser sieht folgendes vor: Sollte dieser gerichtlichen Verfügung nicht binnen 14 Tagen widersprochen werden, erlangt der Mahnbescheid seine Gültigkeit und wird tatsächlich dann vom Gericht vollstreckt. Egal, ob die Geldforderung rechtens ist oder nicht.

Ferner lohnt ein Besuch bei der ortsansässigen Verbraucherzentrale: Dort arbeiten engagierte Menschen, die Euch mit Rat und Tat zur Seite stehen. Denn diese Materie entpuppt sich schnell, ob man's glaubt oder nicht, als sehr komplex.
Schnelle Hilfe verspricht die Anwalt-Hotline unter 0900-1 875 000-10. Dort warten sachkundige Juristen an der Strippe. Kurz und bündig. Allerdings empfiehlt es sich, vor Ort einen Anwalt zu suchen.
Sollten die Typen aus Prag (oder Road Town) weiter nerven, lohnt sich auch der Weg zur Polizei, um Strafanzeige zu erstatten. Zwar könnte der Beklagte schwer zu ermitteln sein, auch wegen des Firmensitzes in Prag und Road Town. Aber auf diese Weise gelangt der Name dieser Halsabschneider einmal mehr in den Dunstkreis der Staatsorgane. Zu empfehlen ebenfalls ein entsprechender Brief an die Staatsanwaltschaft Fulda. Denn schließlich kam die Post von dort. Also steckt nicht den Kopf in den Sand und wehrt Euch! Weil diese Typen nur bluffen, wohl wissend, dass sie rechtlich absolut nichts in der Hand haben.
Deren Gedanke sieht so aus: Erst sammeln die Adressen, dann setzen sie harmlose Leute unter Druck. Falls dann nur 10 Prozent tatsächlich zahlen, hat sich für die Gauner dieser dreckige Job schon gelohnt. Helft diesen bösartigen Telefonabzockern dabei nicht!!

Joachim Eiding

Quellen: www.verbraucherschutzverein.org - www.allinkasso.de - antiabzockenet.blogspot.de - Verbraucherzentrale München - www.recht-hilfreich.de - www.justanswer.de - www.vzhh.de - www.verbraucherzentrale-bayern.de

 

music4ever.de - Extra - Nr. 87 - 10/14