Wer ist der beste Drummer der Rockgeschichte? Dazu zählen sicher Kultstars wie beispielsweise John Bonham (Led Zeppelin), Cozy Powell, Keith Moon (The Who), Carl Palmer (Emerson, Lake & Palmer) und Ian Paice (Deep Purple). Sogar Ringo Starr, der Meister des "Pudding-Sounds", glänzt mit seinem Nimbus. Fehlt eigentlich nur einer, nämlich ein gewisser Ginger Baker, an dem sich bis heute die Geister scheiden. Als Peter Edward Baker im Hochsommer des Jahres 1939 in London zur Welt gekommen, gilt der fraglos geniale Schlagzeuger als - freundlich ausgedrückt - menschlich außerordentlich schwierig. Selbst alte Kollegen und Weggefährten gehen fast ausnahmslos auf Distanz. Kein Wunder, geizt Baker bei ihnen nicht mit "Komplimenten": Mick Jagger hält er für ein "Weichei"; auch John Bonham kriegt sein Fett weg: Dieser "könnte keinen Sack Scheiße zum Swingen bringen". Trotzdem zollen ihm Drummer wie Stewart Copeland (Police) und Charlie Watts (Rolling Stones) gehörigen Respekt.
Anfangs interessierte sich der junge Baker, der sich wegen seiner fuchsroten Mähne "Ginger" nannte, fürs Piano und Trompete, wechselte aber 1955 als Trommler zu Terry Lightfoot und Mr. Acker Bilk. Doch erst zu Beginn der 60er brachte ihn das Schicksal mit der großen europäischen Blues-Legende Alexis Korner zusammen. In dessen Combo "Blues Incorporated" ersetzte er fortan den Drummer Charlie Watts, welcher schließlich bei den Stones den Takt angab. In dieser Blues-Band traf er seinen späteren Kollegen Jack Bruce, ferner Dick Heckstall-Smith und Graham Bond. Als Baker eines Tages gegen Mitte der 60er den virtuosen Gitarristen Eric Clapton spielen hörte, wollte er mit diesem spontan eine eigene Band gründen. Clapton sagte zu, verlangte jedoch, den Bassisten Jack Bruce in die Gruppe zu holen. Zwar zögerte Ginger erst, gab aber schließlich klein bei. Flugs nahm der Musik-Boss Robert Stigwood das Trio unter seine Fittiche. "Sie werden Cream heißen. Und ich werde ihr Manager sein", verkündete dieser stolz.
Cream, die Supergruppe
Neugierig beäugte die Fachwelt diese "Supergroup", in welcher erstmals - ein Novum in der Popgeschichte - alle Instrumente gleichberechtigt miteinander bisher nie gehörte Improvisationen zauberten. Auf diese Weise wandten sich die Herren Baker, Bruce und Clapton von den üblichen Charts ab, zogen ihr eigenes Ding durch. In den späten 60ern erschien dies den Rockfans als ziemlich revolutionär. Und sie bedankten sich bei der Dreier-Formation, in dem sie ihre intelligenten und markanten Kracher, allen voran "I feel free" (1966), "Sunshine of your Love" und "White Room" (beide 1968), in den internationalen Hitlisten weit nach oben bugsierten. Indes richtete sich der Fokus der Band ohnehin mehr auf die Langrillen wie "Disraeli Gears" (1967) und "Wheels of Fire" (1968). Doch plötzlich drohte Ungemach: Auf dem Zenit ihres Erfolgs stritten sich Jack Bruce und Ginger Baker wie die Kesselflicker. Wobei Wildfang Baker gar mit dem Messer auf Bruce losging. Im Sommer 1968 löste sich Cream auf. Erst 1993 sollten sie es wieder auf die Bühne schaffen, mit Baker, Bruce und Clapton.
Fortan machte Schlagzeuger Ginger Baker mit Eskapaden von sich reden. Nirgends hielt er es als Musiker lange aus: Nach dem Ende von Cream folgte der eigenwillige Musiker dem sanften Clapton zum Quartett Blind Faith. Zwei Jahre später hob der schwierige Drummer seine eigene Gruppe "Ginger Baker's Air Force" aus der Taufe, um sie nach nur einem Jahr bereits wieder aufzulösen. Mit von der Partie waren übrigens auch der berühmte Multiinstrumentalist Steve Winwood und McCartneys alter Kumpel Denny Laine. Sogar bei der Space-Rock-Band Hawkwind gab er ein kurzes Gastspiel. Dann noch ein paar Stationen im Leben des ungestümen Genies: Graham Bond Organization, Baker Gurvitz Army und Masters of Reality. Zudem rutschte Ginger Baker, wie so viele, in die Tiefen des Heroinrauschs und verfiel selbst nach erfolgreichen Projekten stets in Apathie.
Beware of Mr. Baker
Schließlich hatte er die Faxen dicke und zog einen künstlerischen Schlussstrich. Neugierig auf den Klang afrikanischer Percussion, siedelte er nach Nigeria über und studierte den dortigen Sound. (Schon während seiner Zeit bei Cream hatte er sich neue Wege eröffnet und als erster Drummer zwei Bassdrums genutzt, welche er mit drei Pedalen bediente.) Bakers Leben glich einer holprigen Buckelpiste, mal obenauf, mal auf Tauchstation und immer wieder Drogen. Heute lebt der drahtige, alte Mann mit seiner vierten Ehefrau laut "berlinonline.de" in Südafrika, "krank, verarmt und kaum noch in der Lage, sein geliebtes Schlagzeug zu spielen". Dies der Stand, bis ihn der junge US-Regisseur Jay Bulger aufstöberte, um ihn ins Zentrum seines Kinofilms "Beware of Mr. Baker" zu stellen. Und Mr. Baker begrüßte Mr. Bulger auf seinem Domizil, in dem er ihm gleich mal mit dem Gehstock das Nasenbein zertrümmerte - alles live in der Doku zu sehen. Entsprechend kompliziert zogen sich die Filmarbeiten hin, inklusive Interviews. Einmal mehr rechtfertigte Ginger Baker seinen miserablen Ruf, wie Süddeutsche.de" schrieb, "als Arschloch". Denn als Jay Bulger die Frage stellte, ob sich Baker nicht als tragischer Held fühle, blaffte dieser: "Mach dein Interview und hör auf, dich als intellektueller Scheißkerl aufzuspielen." Wer mehr wissen möchte, dem sei der Kinofilm "Beware of Mr. Baker" ans Herz gelegt.
Joachim Eiding
Quellen: www.gingerbaker.com - www.amazon.de - www.jazzzeitung.de - www.sueddeutsche.de - www.abendzeitung-muenchen.de - www.berlinonline.de - Das neue Rock-Lexikon, Barry Graves, Siegfried Schmidt-Joos und Bernward Halbscheffel, Rowohlt, 1999
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