Als der heutige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück im Jahr 2008 in der Talkshow von Beckmann saß, gesellte sich eine der berühmtesten Sängerinnen und Schauspielerinnen vergangener Jahre zu ihm. Auf die Frage, welches ihrer Lieder er besonders schätze, antwortete er spontan: "Oh, wann kommst du?". Worauf die in Ehren ergraute Daliah Lavi ihm ebenso schnell entgegnete: "Na, das war aber aus meiner Schlagerzeit!" Dies trifft den Punkt - besser gesagt ihr breites künstlerisches Spektrum. Viele verbinden ihren (bis heute guten) Namen mit dem Genre des gehobenen Schlagers. Dafür sprechen Titel wie "Willst du mit mir geh'n", "Wer hat mein Lied so zerstört, Ma?", "Wär' ich ein Buch" (alle drei von 1971), "Lieben Sie Partys?" (1972) und natürlich das eingangs erwähnte "Oh, wann kommst du?"(1970). Oft dienten ihren Chansons amerikanische Originale als Vorlage. Gekonnt drückte die Sängerin mit der rauchig-markanten Stimme diesen Liedern ihren ganz persönlichen Stempel auf, verwandelte sie in eigene Songs.
Kirk Douglas, Karl May und Dr. Mabuse
Kaum jemand weiß, dass sich Daliah Lavi, 1942 im damaligen Palästina als Daliah Levenbuch geboren, in den 50ern in Stockholm an der Königlichen Oper als Tänzerin ausbilden ließ. Kein Geringerer als der große Kirk Douglas verhalf ihr dabei zu einem Stipendium. Allerdings musste die damals noch sehr junge Künstlerin aufgrund familiärer Probleme dieses Studium nach vier Jahren aufgeben. Nachdem sie sogar gegen Ende der 50er in ihrer Heimat Israel den Wehrdienst hinter sich brachte, arbeitete sie eine Zeit lang als Mannequin. Da schien der Sprung zum Filmgeschäft nicht mehr groß. Alsdann ergatterte sie 1960 ihre erste Hauptrolle im deutsch-israelischen Streifen "Brennender Sand". Es folgten bald Thriller wie "Im Stahlnetz des Dr. Mabuse", Dramas wie "Zwei Wochen in einer anderen Stadt" und Karl-May-Western wie "Old Shatterhand". Als Vorteil erwies sich auch ihr großes Sprachtalent: außer Hebräisch kann sie auch Deutsch, Englisch, Französisch, Schwedisch, Italienisch und sogar Russisch.
Jedoch stellte die exotisch schöne Lavi nach zehn Filmjahren enttäuscht fest, dass sie nie den Durchbruch zu einem echten Star geschafft hatte. Schulterzuckend zog Daliah Bilanz: Eigentlich, so die Sängerin, habe sie nur ein echt gutes Kinowerk hingelegt, nämlich "Il Demonio" aus dem Jahre 1963. Darin spielte sie eine vom Teufel besessene junge Frau, von den Bewohnern eines kleinen Dorfes gejagt. Worauf Daliah Lavi in die Musik "flüchtete". Glück für sie, entdeckte ein englischer Schallplatten-Produzent Ende der 60er den Reiz ihrer rauchigen Stimme. Dann ging es schnell: Ein erster Vertrag auf der britischen Insel erwies sich als Achtungserfolg. Aber der Rubel rollte erst, als sie in Hamburg bei der deutschen Polydor unterschrieb. Ihr Markenzeichen: niveauvolle Schlager und Chansons, gern deutsche Versionen amerikanischer Folksongs, eigenwillig interpretiert. Leider sank Mitte der 70er ihr musikalischer Stern; einzig ihre Kurzrille "Nichts haut mich um - aber du", eine gelungene Fassung des alten Evergreens "I get a Kick out of you" von Cole Porter, hielt den Anschluss an die Charts.
Der schwere Weg zum Comeback
Nach einer künstlerischen Pause setzte die Israelin 1981 ihren musikalischen Weg mit der Single "Flüster …" fort. Doch kam der deutsche Schlager bald in stürmische Fahrwasser. Der Grund: die Neue Deutsche Welle (NDW). Künftig rockten neue Gesichter wie Nena, Markus, Trio und Hubert Kah die deutsche Hitparade. Dagegen verpufften Daliahs Vinylscheiben (zum Beispiel ihre deutsche Version des Hits "Words") wie Strohfeuer. Enttäuscht verließ die Sängerin ihr Label, heuerte bei der EMI an. Doch dies war nur von kurzer Dauer. Zwar streifte sie die Charts, wechselte aber zu Hansa. Weil ihre Platten erneut floppten, entschied sich Daliah Lavi 1990 für ein kleineres Label. Übrigens veröffentlichte ihr Sohn Rouven gegen Mitte der 80er ebenfalls Songs auf Vinyl. Privat ehelichte sie bereits 1977 ihren vierten Ehemann, den amerikanischen Industriellen Charles Gans und lebt seitdem in den Bergen von North Carolina. "Dort lieben sie mich um meiner willen, nicht den Star", erklärt die Sängerin.
Lange war es um die sympathische Künstlerin still, bis sie 2008 mit "C'est la vie - so ist das Leben" ein neues Album vorlegte. Allerdings mit dem Ziel, sich gleich wieder von der Bühne zu verabschieden. Im Oktober desselben Jahres gastierte sie mit teils neuen Liedern in der Show von Carmen Nebel. Diesmal lohnte ihr Auftritt: Ihr Publikum erinnerte sich an sie, ihre CDs gingen weg wie warme Semmeln - Comeback gelungen. Schließlich zog sie im Mai 2013 den endgültigen Schlussstrich unter ihre Gesangskarriere. "Ich habe in meinen Liedern alles gesagt, was ich über Sehnsucht, Liebe und Träume in meinem Leben erfahren habe. Nun ist das Gesangsbuch meines Lebens geschrieben und geschlossen", resümiert Daliah Lavi. Bleibt eine letzte Frage: War es für sie als Jüdin nie ein Problem, singend in das Land zurückzukehren, aus dem einst ihre Mutter fliehen musste? "Für mich waren die Konzerte in Deutschland fantastisch. Ich konnte dadurch in Kontakt kommen zu den jungen Leuten. Und diese jungen Leute tragen keine Schuld am Holocaust."
Joachim Eiding
Quellen: www.daliahlavi.com - www.universal-music.de/Daliah-lavi/news - www.n-tv.de - www.lastfm.de - www.fr-online.de
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