London, wie es rockt und rollt. Überall aus den Boxen der Insel, später auch des Kontinents, quillte seit Anfang der 70er ein neuer Sound: der Glam-Rock, auch als Glitter-Rock bekannt. Androgyne Gestalten, meist in Fantasie-Kostümen, verwandelten die Musikbühne in ein intergalaktisches Sound-Festival vom andern Stern. Ihre teils pianobegleiteten Stücke kletterten die britischen Musik-Charts bis zur Pole-Position hinauf. Doch an der Frage, wer als Urheber dieses Trends gilt, scheiden sich die Geister: Einige Journalisten verweisen auf die Space-Ikone David Bowie und dessen Kunstfigur Ziggy Stardust, andere sehen den verstorbenen Marc Bolan von T. Rex als Initiatoren. Ebenso spielte der mittlerweile umstrittene Gary Glitter seinerzeit eine bedeutende Rolle. Und mittendrin tummelte sich ein mysteriöser Londoner als freche Elvis-Kopie.
Elvis-Look und Leder-Outfit
Da mag sich mancher Zeitgenosse verwundert die Augen gerieben haben: Wer war der Verrückte, der in Ilja Richtes "Disco" 1974 so dreist das Mikro durch die Luft wirbelte und mit "zarten Timbre in der Stimme" (Plattentext) seine Songs wie "My Coo Ca Choo", "Jealous Mind" und "You, You, You" mehr hauchte als sang? Alvin Stardust nannte sich dieser Musiker im Elvis-Look, stets im schwarzen Leder-Outfit und einer Rock'n'Roll-Frisur der 50er Jahre. Witzig: Auf den Plattenhüllen starrte er seine Fans von unten herauf an, als wollte er diese hypnotisieren. Hinter diesem glamourösen Namen verbarg sich übrigens niemand anders als Shane Fenton, der in den frühen 60ern mit mäßigem Erfolg einige Songs aufnahm und ab 1963 durch die Welt vagabundierte. Anfang der 70er kehrte er ins Studio zurück, traf den Produzenten Peter Shelley, der ihm als "Alvin Stardust" zu einem furiosen Comeback verhalf.
Von 1973 an konnte dieser viele Treffer in den Hitlisten landen: Titel wie "My Coo Ca Choo", "Red Dress", "You, You, You" und "Good Love Can Never Die" erreichten den Geschmack des (vorwiegend) europäischen Publikums. Doch schon 1977 schien das Ende seiner Karriere erreicht: Als der Punk-Rock mit den Speerspitzen Sex Pistols und Boomtown Rats aufkam und den Glam-Rock ablöste, kämpften viele Interpreten dieses Genres wie beispielsweise Mud, Sweet und die Bay City Rollers, aber auch Teenie-Bands wie Hello, Kenny und Pilot ums künstlerische Überleben. Nicht wenige von ihnen blieben dann tatsächlich auf der Strecke. Dieses grausame Schicksal drohte auch Alvin; nahezu niemand investierte mehr in sein schwarzes Vinyl.
Comeback mit Mike Batt
Doch das Blatt wendete sich erneut: Zu seinem Glück traf Alvin auf das britische Musik-Genie Mike Batt, der schon Jahre zuvor mit "Mona", "Lady Of The Dawn" und "The Winds Of Change" Solo-Erfolge feierte. Und abermals gelang Alvin ein musikalisches Comeback, nun mit Titeln wie "Pretend", "I Feel Like Buddy Holly" und "So Near To Christmas", meist aus der Feder von Mr. Batt. Somit überlebte Stardust, als Bernard William Jewry im Jahr 1942 in London geboren, rein künstlerisch die 70er, was ihm Jahre zuvor wohl niemand so richtig zutraute. Und diesmal blieb er dem Show-Business treu. 1985 nahm er gar am britischen Vorentscheid zum European Song Contest teil, belegte mit dem Lied "The Clock On The Wall" immerhin Rang drei.
Auch auf anderen Terrain erwies sich das englische Chamäleon als standfest: So wirkte er als Schauspieler in Musicals wie "Godspell" und "Tschitti Tschitti Bang Bang" mit und übernahm in britischen TV-Serien wie "Hollyoaks" und "The Grimleys" sogar Nebenrollen. Und - kaum zu glauben - steht Alvin seit einigen Jahren mit der deutschen Rockabilly-Band "Wild Black Jets" auf der Bühne. Es folgte 2004 die gemeinsame Single "Boppin' On A Saturday Night" - bei deutschen, holländischen und englischen Radiostationen recht beliebt. Drei Jahre später erschien auch ein Album. Und sein aktueller Konzertplan ist, wie auf seiner Homepage ersichtlich, bis zum Jahresende 2010 mit Terminen voll bespickt. Ja, der Alvin mischt als einstiger Glam-Rock-Sänger bis heute mit. Soll ihm mal einer nachmachen.
Joachim Eiding
Quellen: alvinstardust.com - ukacts.com - akuma.de - shop.strato.de - alexgitlin.com - answers.com - www.contactmusic.com
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