••• music-4-ever - home ...   •••   übersicht - journal ... •••

Joni Mitchell

Joni MitchellFoto: foxnews.com

Schon ärgerlich genug, mit dem Auto im Stau zu stecken. Wenn dies auch noch vor einem so prägenden Festival wie Woodstock passiert, könnte der (oder die) Leidtragende sicher vor Wut ins Lenkrad beißen. Ähnlich erging es der eigenwilligen kanadischen Sängerin Joni Mitchell, die einst 1969 auf dem Kult-Event im US-Bundesstaat New York auftreten sollte, aber bei der Anreise in der Blechschlange hängen blieb. Aus Ausgleich dazu schrieb sie den Song "Woodstock", in dem sich im Liedtext "Bomber am amerikanischen Himmel in Schmetterlinge verwandelten". Als Roberta Joan Anderson im Jahr 1943 in der kanadischen Provinz Alberta geboren, klimperte sie schon als Kind auf Klaviertasten und brachte sich selbst das Spiel auf der Gitarre bei. So entwickelte sie ihren eigenen Stil. Vermutlich der Grund, dass mancher, der ihre Songs nachspielen möchte, am Instrument scheitert.

Aus Anderson wird Mitchell

Auf dem Kunst-College in Calgary erwachte neben der Musik auch ihre Leidenschaft für die Malerei, der sie bis zum heutigen Tag treu geblieben ist. Ihren Künstlernamen verdankte sie dem Folksänger Chuck Mitchell, mit dem sie 1965 die Ringe tauschte. Jedoch hielt die Ehe nicht allzu lang; ein Jahr darauf trennten sich ihre Wege schon wieder. In diesen Jahren gab sie in diversen Clubs erstes selbst geschriebenes Material zum Besten und prägte auf diese Weise ihren typischen folk-orientierten Sound. Als sie eines Abends in New York auftrat, nickten wohlwollende Plattenbosse ihre Show ab und hielten ihr einen Kontrakt unter die Nase. So erschien 1968 ihr erstes Album "Song To A Seagull" - von David Crosby abgemischt - auf dem Plattenmarkt. (Hierzulande kennen Musikfreunde das Werk auch unter dem schlichten Titel "Joni Mitchell".) Und ihr Song "Both Sides Now" von 1969 bescherte der sympathischen Sängerin zahlreiche Tantiemen, die ihr Kollegen wegen häufiger Cover-Versionen schuldeten.

Die Lawine setzte sich in Gang; bis zum Jahr 2002 folgten immerhin 20 Studioalben: In den 70ern kamen beispielsweise "Ladies Of The Canyon", "For The Roses", "The Missing Of Summer Lawns", "Mingus" sowie die Live-Platte "Miles Of Aisles" auf den Markt. Ebenso lang auch die Latte ihrer Hits: "Free Man In Paris" (1974), "You Turn Me On, I'm A Radio" (1972) und last, not least "Big Yellow Taxi" (1970). Letzteren brachte Joni fünf Jahre später sogar nochmal in einer gelungenen Live-Version heraus - auf dem Doppel-Album "Miles Of Aisles". Kaum zu glauben, die spätere Fassung kraxelte die US-Charts sogar noch weiter rauf, schaffte Rang 24. "Was ich schreibe, habe ich auch selbst empfunden, geträumt oder erlebt. Aufrichtigkeit ist für mich das Wichtigste. Doch das ist nicht einfach in einem Business, in dem es so viel Lüge gibt", erläutert die Songwriterin ihr Konzept.

This Flight Tonight

Was viele Rock-Fans wundern mag: Der Kracher "This Flight Tonight" der Schotten-Rocker Nazareth stammt von niemand anders als Joni selbst. Das im Vergleich dazu etwas spärlich instrumentierte Original findet sich auf ihrem Erfolgsalbum "Blue" von 1971. Übrigens: Auch in den nächsten Dekaden erwies sich die Künstlerin aus Alberta als ein gefragter Star. LPs wie "Dog Eat Dog" (1985) und "Wild Things Run Fast" (1982) sowie "Turbulent Indigo" (1994) und "Taming The Tiger" (1998) gingen recht gut über die Ladentheke. Doch irgendwie schien das überharte Musik-Business die Sängerin allmählich zu zermürben; desillusioniert stieg sie mit dem Abschiedswerk "Travelogue" 2002 aus der Branche aus. Um sich fortan ausschließlich der Malerei zu widmen.

Denn Joni nur auf die Musik zu beschränken, hieße, einen wichtigen Teil ihrer Persönlichkeit einfach auszublenden. Schon seit ihrem abgebrochenen Kunststudiums lebte sie ihre künstlerische Ader aus, bannte mit dem Pinsel leuchtende Ölfarben auf die Leinwand. Ihre gegenständlichen, stark expressionistischen Gemälde zierten auch teilweise die Cover ihrer Platten. Darunter auch einige Selbstportraits und künstlerische Fotografien. Auf ihrer Homepage Jonimitchell.com stellt die Malerin ihre Werke gern vor.

Joni MitchellFoto: campemar.blogspot.com

Doch wer dachte, Joni Mitchell verstecke sich im Atelier, sah sich getäuscht: Ausgerechnet eine bekannte Coffeeshop-Kette überredete die Sängerin vor zwei Jahren zu einem musikalischen Comeback - und einer weiteren Platte. "Shine" (so der Titel) zeigt ihren Weg "back to the Roots", führt also zurück zu ihren musikalischen Wurzeln, allerdings mit völlig neuen Songs. Auf diese Weise blieb die reichlich dekorierte Songwriterin der musikalischen Welt weiterhin erhalten: Im Jahr 2002 bekam sie für ihr Lebenswerk den Ehren-Grammy (der "Oscar" der Musik) und 1997 zog sie in die Rock and Roll Hall of Fame ein. Damit nicht genug: Bereits 1996 verlieh ihr der schwedische König den "Polar Music Prize" - den inoffiziellen Nobelpreis für Musik. Somit zählt sie neben Carole King ("Hard Rock Café") und Judy Collins ("Amazing Grace") zu den ganz großen Damen der amerikanischen Folk-Szene.

Joachim Eiding

Quellen: jonimitchell.com - germany.real.com - laut.de - woodstock69.com - woodstock.com - real.com - Das neue Rock-Lexikon, Barry Graves, Siegfried Schmidt-Joos und Bernhard Halbscheffel, Rowohlt

 

music4ever.de - Was macht eigentlich ... - Nr. 36 - 9/09