••• music-4-ever - home ...   •••   übersicht - journal ... •••

Neil Diamond

Wen - beispielweise in einem TV-Quiz - die Frage ereilt, aus wessen Feder Songs wie "I'm A Believer", "The Boat That I Row" und "Kentucky Woman" stammen, mag irritiert mit den Schultern zucken, stets in der Annahme, für diese bekannten Chart-Stürmer zeichneten doch die Interpreten selbst verantwortlich. Um so erstaunter wirken die Befragten, lüftet sich erst der Vorhang dieses Rätsels. Denn geschrieben hat sie kein Geringerer als Neil Diamond - von manchen Medien als "Schnulzensänger mit Las-Vegas-Touch" verspottet. Sollte sich am Ende der US-amerikanische Sänger, Songwriter und - nicht zuletzt - Entertainer gar als Rock'n'Roller outen? Ein genauer Blick auf sein umfassendes Werk (knapp 40 Alben in immerhin 40 Jahren) zeigt nämlich: Schnelle, rhythmische Titel wie das Instrumental "Crunchy Granola Suite" gehören bei ihm einfach dazu.

Neil Diamond

Als Neil Leslie Diamond im kalten New Yorker Januar 1941 geboren, wuchs er im Stadtteil Brooklyn in einer jüdisch-polnisch-russischen Familie auf. Was übrigens nur wenige wissen, Neil ging mit Barbra Streisand zur dortigen Highschcool, sang mit ihr sogar im gleichen Schulchor. (Viele Jahre später sollten beide mit dem berühmten Duett "You Don't Bring Me Flowers" wieder gemeinsam auf der Bühne stehen.) Schon früh ergatterte er eine eigene Gitarre, zupfte so vor sich hin. Jedoch entschied sich Neil Leslie zunächst für eine andere Richtung, schrieb sich an der New Yorker Universtät für Medizin ein. "Ich wollte studieren. Und ich wollte wirklich ein Heilmittel für Krebs finden. Meine Großmutter starb an Krebs. Und ich war in den Naturwissenschaften immer sehr gut." erklärte Diamond Jahre später. Als ihm allerdings ein Plattenlabel wöchentlich 50 Dollar bot, wenn er Songs schrieb, konnte er nicht ablehnen. Dies galt als der Startpunkt seiner Karriere.

Deep Purple und Reggae

So komponierte er ab Mitte der 60er, was das Zeug hielt: So für die US-Truppe "Monkees" ihre Songs "I'm A Believer" und "A Little Bit Me, A Little Bit You" und sein "The Boat That I Row" gab die britische Schlager-Ikone Lulu zum Besten. Es kommt noch dicker: Mancher Rock-Fan mag sich verwundert die Augen reiben, taucht doch Neils Name als Schreiber sogar auf einem Album der englischen Edelrocker Deep Purple auf. Denn der Song "Kentucky Woman" aus dem 68er Album "The Book Of Taliesyn" stammt ursprünglich von Diamond. Auch "Red Red Wine" ist sein Werk; "UB 40" bastelten daraus einen Reggae-Titel. Songs am Klavier ersinnen - mehr wollte Neil eigentlich nie. Doch den Musik-Profis im Studio blieb seine einzigartige Baritonstimme nicht lange verborgen.

Auf diese Weise leierten die Plattenbosse schließlich gegen Mitte der 60er auch seine Karriere als Sänger an. Während die ersten Single-Scheiben noch komplett daneben lagen, brach der Song "Solitary Man" den Bann und kletterte in den US-Billboard-Charts immerhin auf Platz 55. Dagegen zündete der Nachfolger "Cherry Cherry" wie eine Rakete, landete bereits auf dem 6. Rang. Von da an erwiesen sich die Titel des "jüdischen Cowboys" (New York Times) als echte Ohrwürmer, sei es "Sweet Caroline", "Cracklin' Rosie" oder "I Am - I Said". Auch seine Alben wie "Serenade" (1974) und "Beautiful Noise" (1976) verkauften sich glänzend. Allerdings senkte sich gegen Ende der 70er ein dunkler Schatten über den Entertanier. So litt er unter einem bösartigen Tumor, was er vor seinem Publikum stets verbarg. Trotzdem veröffentlichte er weiter Platten und konnte sich von dieser schlimmen Krankheit wieder erholen.

Ein Junge aus Brooklyn

Vielleicht half ihm seine positive Einstellung, die das Schlechte einfach ausklammerte. Wie er auch in seinen Songs und Bühnenauftritten gern eine gute Atmosphäre verbreitet. Genau darum werfen ihm Kritker so gern vor, seine Lieder seien seicht und er nur ein Schlagersänger. Doch dieser Vorwurf prallt an Neil ab wie Regen an einem imprägnierten Zelt. "Ich war ein Junge aus Brooklyn, der Geld verdienen musste. Ich musste es, okay? Ich konnte mir nicht erlauben zu versagen. Und ich hatte es raus. Gute Arbeit wird nicht von Kritikern erkannt. Sondern vom Publikum", machte der Sänger einmal in einem Interview deutlich.

Als die Plattenumsätze Mitte der 80er nachließen, konzentrierte sich der "Sänger mit dem Engelsgesicht" mehr denn je auf seine zahlreichen Auftritte. So gibt er bis heute Gastspiele in aller Welt. Wie auf seiner Homepage ersichtlich, reiste er letztes Jahr als Musiker mit Band durch Europa, unter anderem nach Rotterdam und München. Auch dieses Jahr dürfte sein Spielplan wieder den Rahmen sprengen: Hamburg, London, Glasgow, Manchester, Birmingham und Dublin stehen auf dem Programm. Besonders erfreulich für Neil Diamond, dass er wieder mit einem Album in die internationalen Charts zurückkehrte: So schaffte seine aktuelle "Langrille" (Home Before Darkness) sowohl in der BBC als auch in den Staaten die Pole Position - ein Novum für ihn. Und sicher auch ein Erfolg seines Mottos "Harte Arbeit". Oder, wie der Musiker mal so treffend sagte: "Ich bin mit heißem, blutendem Herzen dabei." Zwar fehlte ihm stets die Authentizität eines Bob Dylan und die lyrische Tiefe eines Leonard Cohen. Aber dies ersetzte Diamond stets mit seinem unverwechselbaren Timbre, dem Talent, gute Songs zu schreiben und mit seinem untrüglichen Instinkt, welches Material sich gut verkaufen lässt.

Joachim Eiding

Quellen: neildiamondhomepage.com - iaisnd.com - sueddeutsche.de - Das neue Rock-Lexikon, Barry Graves, Siegfried Schmidt-Joos und Bernhard Halbscheffel, Rowohlt - images.zeit.de - uni-protokolle.de - spiegel.de - rollingstone.com - now-on.at - classicbands.com - welt.de - imdb.com

 

music4ever.de - Was macht eigentlich ... - Nr. 34 - 7/09