Zu Beginn der 50er Jahre rauschte des nachts ein Bus, voll mit Männern in schwarzen Uniformen, durch die dunkle Nacht. Doch handelte es sich nicht um Apparatschiks, unterwegs zum nächsten Verhör, sondern um die Sänger des Schwarzmeer Kosaken-Chors. Diese russische Sangestruppe, neben dem berühmten Don-Kosaken-Chor die bekannteste ihrer Art, bietet ihren Fans Lieder in der Heimatsprache Russisch - Erinnerungen an ein Land, das viele von ihnen wohl nie wiedersehen werden. Und hinten, auf dem Rücksitz des großen Busses, träumte ein kleiner Junge davon, auch eines fernen Tages diese Uniform tragen zu dürfen.
Vom Schwarzmeer Kosaken-Chor zur ZDF-Hitparade
Der kleine Fratz erwies sich als der blutjunge Peter Orloff - später zum "König der Hitparade" gekrönt. 1944 im westfälischen Lemgo zur Welt gekommen, stammt er aus einer russischen Familie: Nikolai Orloff, sein Vater, kehrte als ehemaliger Zarengeneral und späterer Theologe seiner Heimat während der Oktober-Revolution 1917 den Rücken. Seit dem Jahr 1938 leitete er den Schwarzmeer-Kosaken-Chor. Daher betrachtete Peter diese Tradition als Berufung, glänzte schließlich von 1958 bis 1967 als bis dahin jüngster Solist des berühmten Chores.
Mitte der 60er Jahre entdeckten gewiefte Musik-Manager Orloff als Pop-Sänger, produzierten viele Titel. Seine Karriere startete er 1967 mit dem Song "Das schönste Mädchen der Welt", ein Cover-Version eines Liedes des DDR-Sängers Günter Geißler. Es folgten Hits wie "Monika", "Ein Mädchen für immer" und "Jeder hat dich gern - aber einer hat dich lieb". In den späten 70ern brachte Orloff gern deutsche Versionen ausländischer Originale auf den Markt: so beispielweise "Die Nacht als Christina fortlief" ("Lay Back In The Arms Of Someone" von Smokie), "Immer wenn ich Josie seh'" ("Kara Kara") und "Cora komm nach Haus" ("Tom Tom Turnaround" von New World). Weil er immerhin 30-mal an der ZDF-Hitparade teilnahm, bekam er eben diesen Beinamen "König der Hitparade".
Franz K. und der kleine Prinz
Das war noch nicht alles - Peter zeigte auch Qualitäten als Komponist und Produzent: So schrieb er für seinen Kollegen Peter Maffay den Debüt-Hit "Du" und für den "Seemann" Freddy Quinn die Titel "Die Insel Niemandsland" und "Ein Mann kehrt heim". Auch "Der kleine Prinz" und der "Junge mit der Mundharmonika" für Bernd Clüver gingen als Textdichter und Komponist auf Orloffs Konto. Seine Vielseitigkeit kannte keine Grenzen: So half er gar dem Rocker-Trio "Franz K." aus dem Ruhrpott zu einem ihrer Alben. Doch seit den 80ern ist es um den sympathischen, ruhigen Künstler russischer Abstammung hierzulande still geworden.
Kein Wunder, denn als der Ruhm als Schlagersänger langsam verebbte, zog sich Orloff zunächst zu unseren Nachbarn nach Österreich zurück. Dort verbuchte er einige durchaus erwähnenswerte Erfolge, ergatterte zu seinen bisher zwölf Goldenen- und zwei Platin-Schallplatten als Sänger und Komponist dann noch von seiner österreichischen Vertriebsfirma MCP seine erste Goldene CD und die selten vergebene Diamant-Schallplatte für seinen Megahit "Königin der Nacht". In den 90er Jahren wandte er sich dann der volkstümlichen Musik zu, folgte dem Ruf des mittlerweile neu gegründeten "Schwarzmeer Kosaken-Chores". Dort übernahm er dann das musikalische Szepter, brachte sich aber auch als Solist ein.
Der Kreis schließt sich
Damit schloss sich der Kreis; er kehrte an den Ausgangspunkt seiner langen Reise zurück: Nach immerhin 26 Jahren trat er wieder mit den Schwarzmeer-Kosaken auf. Im Jahr 2000 bestätigten die einzelnen Künstler den vielbegabten Orloff als musikalischen Leiter des Ensembles, für die Dauer des Bestehens der Sängergruppe. Unvergesslich die Auftritte im Leipziger Gewandhaus, im Ulmer Münster und im Dom zu Schleswig. Im Berliner Dom mussten die Ordner gar 500 Besucher wieder nach Hause schicken; das Gebäude war schlichtweg rettungslos überfüllt.
Fazit: Peter Orloff, der Künstler mit den zwei Seelen in seiner Brust: Einerseits der Schlagersänger vergangener Tage, dessen Titel immer noch in der einen oder anderen Jukebox erklingen. Andererseits der ernste Musiker, den die Liebe zu seiner fernen Heimat treibt. "Ich habe ein deutsches Herz und eine russische Seele", beschreibt sich Peter selbst. Wer Lust und Zeit hat, kann ihn gern auf seiner Homepage besuchen.
Joachim Eiding
Quellen: www.wikipedia.de - www.peter-orloff.de - www.swr.de
music4ever.de - Was macht eigentlich ... - Nr. 23 - 8/08