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Juliane Werding

"Der letzte Abend. Was geht einem das durch den Kopf ... Normalerweise hat man wehmütige Gedanken, man blickt zurück auf die Konzerte, die Menschen, die Stimmung, die Momente, die noch lange bleiben werden", sinniert die Sängerin Juliane Werding auf ihrer Homepage über den letzen Abend einer großen Tournee. Wer ist diese Frau, die seit 30 Jahren ununterbrochen als Musikerin Erfolg hat? Um dies beantworten zu können, blenden wir einmal zurück, weit zurück in die frühen 70er Jahre, als alles seinen Anfang nahm:

Da staunte das deutsche Fernseh-Publikum anno 1972 nicht schlecht, rieb sich verwundernd seine erprobten, viereckigen Augen. Da sang doch tatsächlich bei Dieter Thomas Heck - der männlichen Ausgabe von Quasselstrippe Gisela Schlüter - eine blutjunge 16-jährige Schülerin, die sich noch selbst auf der Gitarre begleitete. Glaubwürdig jammerte sie ihr "Am Tag, als Conny Kramer starb" ins Mikro des Senders. So jung und schon im Fernsehen? Schien so! In dieser für sie frühen Zeit verkaufte sich dieser Song bereits über eine Million Mal und es hagelte Preise wie die "Goldene Europa" der Europawelle Saar und dem goldenen "Bravo Otto" als beliebteste Sängerin des Jahres. Doch wider Erwarten entwickelte sich Julianchen nicht zur Eintagsfliege, sondern blieb auf lange Zeit in diesem so harten und von vielen Zufällen abhängigen Geschäft sehr erfolgreich.

Gunter Gabriel und der ewige Soldat

Die folgenden Jahre veröffentlichte sie charakteristische Alben und Single-Platten, die sich stets sympathisch vom Schunkel-Einerlei des deutschen Schlagers abhoben. Sehr oft wagte sie, international bekannte Pop- oder Country-Songs ins Deutsche zu übertragen. So wurde aus "Universal Soldier" bei ihr "Der ewige Soldat", aus "Let me be there" dann "Morgens Fremde, mittags Freunde" (bei uns in Jukebox Nr. 19 neu vorgestellt) und "Angel of the Morning" verwandelte sich in "Der Engel der Verbannten". Auch Jahre später hielt sie an ihrem Erfolgsschema fest, coverte 1983 "Moonlight Shadow" von Mike Oldfield. Die deutschen Musikfans kennen den Titel als "Nacht voll Schatten".

xyzFoto: juliane-werding.de

Als Meilenstein ihrer Karriere gilt aber die Zusammenarbeit mit dem Country-Urgestein Gunter Gabriel, über den wir an dieser Stelle schon berichtet haben (Ausgabe Nr. 9). Unter seiner Regie entstanden Mitte der 70er Jahre zwei "Bandwurm-Titel": Das berühmte "Wenn du denkst du denkst, dann denkst du nur du denkst", auf dem sich Meister Gabriels sonore Bass-Stimme auf die Platte "mogelte" und das weniger bekannte "Man muss das Leben eben nehmen, wie das Leben eben ist". Hier summte Gunter mit seiner Bärenstimme im Hintergrund mit.

Ein bewegtes Leben

Was nur wenige wissen: Die 1956 in Essen geborene Sängerin verließ sich nie allein auf ihre musikalischen Fähigkeiten: So absolvierte sie 1973 die Mittlere Reife und besuchte zwei Jahre die Handelsschule. Anfang der 80er Jahre absolvierte sie eine Ausbildung als PR-Frau, arbeitete daraufhin einige Jahre in einer Münchner PR-Agentur. 1985 gab sie ihren Job in diesem Bereich wieder auf, startete stattdessen eine Ausbildung zum Heilpraktiker. Nach Ablegen des Examens konnte sie zwei Jahre später auch diesen neuen Beruf ausüben, eröffnete in München gar eine eigene Praxis. Fazit: Frau Werding hebte eben nie ab, blieb bodenständig.

xyzFoto: juliane-werding.de

Auch musikalisch beschritt sie von Zeit zu Zeit neue Wege: So versuchte sie sich 1992 zusammen mit ihren Partnern Andreas Bärtels und Mats Björklund auch als Produzentin. Trotz ihrer mannigfachen Tätigkeiten erschienen weiterhin konsequent Alben und Singles, die fast alle in die deutschen Charts emporschossen. Ein altes und kluges Sprichwort empfiehlt, während des Rennens die (erfolgreichen) Pferde nie zu wechseln. Das musste sich auch Juliane sagen, denn sie hielt auf Jahrzehnte an ihrem Erfolgskonzept fest, coverte, was das Zeug hielt: 1994 veröffentlichte sie mit "Du schaffst es" die deutsche Version des tollen Titels "You got it" von Roy Orbison. Und es hagelte Preise über Preise: 1998 bekam sie allein zum fünften Mal die "Goldene Stimmgabel". Und Tournee reihte sich an Tournee. Interessant: Mit ihren Partnerinnen Maggie Reilly und Viktor Laszlo zog Juliane im Herbst 1994 durch 20 deutsche Städte, mit großem Erfolg.

Sagen Sie mal, Herr Jesus

Was macht sie heute? Zur Jahrtausendwende nahm sie Schauspielunterricht und übernahm eine Rolle in dem Bühnenstück "Die Vagina-Monologe" von Eve Ensler. Aufgeführt wurde das Stück - mancher wird den Kopf schütteln - interessanterweise tatsächlich in München. Außerdem schrieb sie für einige Fernsehserien ein Treatment, eine Art verkürztes Drehbuch. Damit nicht genug, das Spektrum von Frau Werding erscheint noch breiter: Sie ist auch unter die Schriftsteller gegangen, brachte 2001 zusammen mit Uwe Birnstein ihr zweites Buch "Sagen Sie mal Herr Jesus ... - und andere Interviews mit Menschen der Bibel" heraus. Herbst 2002 las sie sogar im bayrischen Kloster Benediktbeuern daraus. Und fünf Jahre später erschien dann noch das Fortsetzungswerk "Huren, Heuchler, Heilige - Interviews mit Menschen der Bibel", wieder mit Birnstein.

Auch musikalisch ging es voran: Im Jahr 2000 tourte sie mit ihrer achtköpfigen Band durch Deutschland, trat beispielweise im Berliner Friedrichstadtpalast und im Kulturpalast Dresden auf. In diesem Jahr verließ sie auch ihre langjährige Plattenfirma WEA Records, unterschrieb bald darauf bei Polydor. Mit "Die Welt danach" erschien 2004 ihr nun schon 20. Album; ein Jahr später folgte eine Tournee. "Sehnsucher" betitelte Juliane 2006 ihr 21. Album und schließlich erblickte am 11. Januar 2008 noch ein weiteres Werk ("Ruhe vor dem Sturm") das Licht der Welt. Dazu gab's noch als Appetithäppchen die Single-CD "Haus überm Meer". Frage an den Popfan: Ist Juliane Werding je ein Comeback misslungen? Falsche Frage, denn sie brauchte nie eines. Sie war nie vom Fenster weg. Im Gegensatz zu einigen anderen deutschen Popsängerinnen wie zum Beispiel Nicole ("Ein bisschen Frieden").

Joachim Eiding

Quellen: wikipedia.de - juliane-werding.de - www.laut.de

music4ever.de - Was macht eigentlich ... - Nr. 19 - 4/08