Ja, im Pop- und Rockbusiness gibt es viele der erbaulichsten Geschichten. Und für eine der größten Betrugsstorys aller Zeiten sorgte die Gruppe "Milli Vanilli". Dieses Musikduo, von Frank Farian produziert, bestand aus den jungen Breakdancern Fab Morvan und Rob Pilatus. Sie erreichten mit ihren Songs wie "Girl You Know It's True", "Blame It On The Rain" und "Girl I'm Gonna Miss You" in europäischen und sogar US-amerikanischen Charts von 1988 bis 1990 regelmäßig Toppositionen. Bis eines Tages aufflog, dass sie zu den Songs nur die Lippen bewegten, nicht sangen. Dann schien ihre Karriere besiegelt.
Playback-Band mit Endlos-Schleife
Wie konnte es soweit kommen? Farian brauchte für sein Studio-Projekt namens "Milli Vanilli" 1988 einige schöne, fotogene Tänzer, die nach außen hin repräsentieren konnten. Während die Lieder längst eingespielt waren. Also stiegen Pilatus und Morvan in den Vertrag ein, wobei ihre Rolle als "Darbietung" festgelegt wurde. Doch kurz darauf kam es zwischen den Tänzern und Farian zu ernsten Differenzen, weil sie neue vertragliche Details aushandeln wollten. Gegen den Willen ihres Produzenten starteten sie mit ihrer Amerika-Tournee. Und seltsam: Just zu diesem Zeitpunkt kam es zum "Riesengau": Im Juli 1989 blieb während eines Konzertes in Bristol, im US-Staat Connecticut, das Playback-Band in einer Endlos-Schleife stecken.
Die Musiker und auch Farian versuchten, dies zu kaschieren. So hielt die Erfolgssträhne zunächst an. 1990 kassierten sie sogar in den USA als "beste Newcomer" den "Grammy" - das Pendant des "Oscar" in der Musik. Doch schon 1989 schlich sich in die sorgsam aufgezogene Fassade ein weiteres Loch: Charles Shaw, der im Hintergrund mitsang, behauptete öffentlich, weder Morvan noch Pilatus hätten je zu den Songs gesungen. Verzweifelt stellte Farian ihn mit der Zahlung einer größeren Summe Geldes "ruhig" und Shaw ruderte zurück. Doch das Lügengebäude krachte bald unter dem Druck der Medien zusammen; Farian legte die Karten auf den Tisch.
Der Produzent badete seine Hände in Unschuld, verstand die aufgebrachten Fans nicht: "Wo ist der Betrug? Glaubte irgendjemand in den USA, dass die Village People oder die Monkees wirklich selbst gesungen haben? Oder die Archies? Ich bitte Sie, jeder macht das seit 25 Jahren." In Wirklichkeit kamen die Stimmen der Truppe hauptsächlich vom bekannten Schlagzeuger Brad Howell und von ehemaligen GI John Davis. Doch in diesem Moment begann der persönliche Leidensweg von Fabrice Morvan und Robert Pilatus.
Der tiefe Fall des Rob Pilatus
Zunächst mussten beide ihren Grammy zurückgeben. Unter dieser Demütigung litt Pilatus besonders. Mehrmals versuchte er sich umzubringen: Einmal stand er schon auf seinem Balkon, rief bei der Zeitung "Los Angeles Times" an, drohte zu springen. Was die Polizei erfolgreich verhinderte. Schließlich gründete er mit seinem langjährigen Freund Morvan das Duo "Rob & Fab". Doch diesmal blieb der Erfolg aus. Was auch damit zu tun hatte, dass Fab sehr wohl singen konnte, Rob jedoch kaum. So begann der tiefe Fall des Rob Pilatus ins Bodenlose.
In seiner Wahlheimat L.A. kam er nun häufiger mit dem Gesetz in Konflikt, wobei er mal in Prügeleien verwickelt war, mal ging's um Vandalismus. Seine Drogensucht und der Konsum von Alkohol verschlimmerte seine Lage zunehmend. Zu dieser Zeit half ihm Farian doch noch einmal aus der Patsche, besorgte ihm einen guten Anwalt, der wiederum vor den US-Gerichten einen Freispruch erwirken konnte. Daraufhin kehrte Pilatus den USA den Rücken zu, zog nach Deutschland zurück. Doch seine zarte Seele verkraftete die Schande von 1990 nicht. Farian fand ihn dann am 3. April 1998 tot in einem Hotelzimmer in Frankfurt, nach einer Überdosis Drogen. Dazu beklagte sein Kompagnon Morvan: "Milli Vanilli waren keine Schande. Die einzige Schande ist, dass Rob allein gestorben ist. ... Wo waren all die Leute, die uns auf den Gipfel getrieben haben und die Millionen verdienten?"
Fab Morvan im TV-Dschungel
Sein Freund Fab Morvan zeigte eine etwas stabilere Persönlichkeit. Erst hielt er sich in Los Angeles mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Im Jahr 2004 gab er sein Solo-Album "Love Revolution" heraus - mit der Ballade "It's Your life", die er Rob Pilatus widmete. Im selben Jahr nahm Morvan an der zweiten Staffel der RTL-Dschungel-Serie "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus" teil. Allerdings wählten ihn die Zuschauer als ersten Teilnehmer aus der TV-Show. Außerdem wirkte er in Los Angeles an einer Radiosendung mit.
Vor einigen Wochen verlautete das Filmfachblatt "Variety", das Studio Universal plane sogar einen Film über Pilatus und Morvan. Dabei soll der Filmemacher Jeff Nathanson ("Terminal") Regie führen und auch das Drehbuch schreiben. Interessant zu sehen, dass die US-amerikanische Filmindustrie auf das Thema anspringt. Aber wo Geld zu verdienen ist, wird's eben gemacht.
Es bleibt die Erkenntnis: Mag mancher die beiden Playback-Künstler noch so verachten. Ohne sie wäre das Projekt "Milli Vanilli" niemals so erfolgreich geworden. Denn schließlich sind wir im Showgeschäft - und da zählt einzig und allein die Bühnenshow.
Joachim Eiding
Quellen: wikipedia.de - geocities.com - fabricemorvan.com - radiobremen.de
music4ever.de - Was macht eigentlich ... - Nr. 5 - 7/07-II