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Lerryn - der Sänger mit den besseren Liedern

Als der DJ Wolfgang Neumann 1974 in der WDR-Sendung "Schlagerrallye" den Titel "Bravo! Bravo! Hurra! Der Sänger mit den besseren Liedern ist da" eines völlig unbekannten Interpreten namens "Lerryn" vorstellte, stutzte er, meinte gar: "Ich weiß leider nicht, wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt, aber er kommt aus Frankfurt". Viel war wirklich nicht bekannt, doch am 1. Februar 1975 tauchte Lerryn urplötzlich mit seinem Titel in der berühmten ZDF-Sendung "Disco" bei Ilja Richter auf. Viele schüttelten zuhause vorm Bildschirm damals den Kopf, begriffen nicht, worüber der intellektuelle Barde überhaupt sang.

Lerryn = Larry + Lenin

Das Album "Der Sänger mit den besseren Liedern" erfreute sich Ende 1974 jedenfalls bester Kritiken: "Er verfügt über eine äußerst ausdrucksstarke Stimme und eine ungeheure Vielseitigkeit: vom spöttischen Kabarett über harten Rock, psychologische Chansons, lyrischen Folk bis zum mitreißenden Volkslied", lobte Dieter Hildebrandt. Bereits in den 60er Jahren begann der Liedermacher - mit bürgerlichem Namen Diether Dehm - Protestsongs zu schreiben und auch vorzutragen. Dehm studierte Sonder- und Heilpädagogik und promovierte 1975. Witzig: Sein Künstlername "Lerryn" entstand, als er seinen Spitznamen "Larry" mit "Lenin" kombinierte.

1979 übernahm er das Amt des Sprechers der Initiative "Rock gegen Rechts" und textete die Linkshymnen "Das weiche Wasser bricht den Stein" und "Aufsteh'n". Beide Titel wurden durch die niederländische Band "Bots" bekannt. Ebenso komponiere er für Künstler wie Klaus Lage, schrieb für ihn die Hits "1000 und 1 Nacht" und "Monopoli". Und 1985 hatte Lerryn an der Gründung des Vereins "Künstler in Aktion" Anteil. Zusammen mit Udo Lindenberg, Heinz-Rudolf Kunze, Klaus Lage und Dietmar Schönherr wurde er Vorstandssprecher. Er wirkte auch an internationalen Schallplattenproduktionen mit, arbeitete mit Showgrößen wie Joe Cocker, Christopher Cross und der US-Drum-Performance-Truppe "Stomp" zusammen.

Ein Lied für Willy Brandt

Seine musikalischen Fähigkeiten mündeten 1988 in der Komposition der neuen SPD-Parteihymne, auf Drängen von Willy Brandt. Seit immerhin 1968 Mitglied dieser Partei, erklomm Lerryn später politische Ämter: eine kurze Zeit als Nachrücker in den Bundestag und ein Posten als ehrenamtlicher Stadtrat im Frankfurter Magistrat. Sogar ein Sitz im Bundesvorstand der SPD zierte seine Karriere. Bis es ihm 1996 die Petersilie verhagelte: Stasi-Vorwürfe machten die Runde. Er soll von 1971 bis 1978 unter den Decknamen "Dieter" und "Willy" Freunde und Genossen bespitzelt haben. Prominentestes Opfer: Wolf Biermann. Allerdings wurde das innerparteiliche Schiedsverfahren gegen Dehm eingestellt.

Trotzdem wechselte er 1998 zur PDS und war von 1999 bis 2003 gar deren stellvertretender Vorsitzender. In seiner neuen politischen Heimat schien er auch wieder schnell an die Spitze zu kommen. Im Jahr 2003 kandidierte Lerryn in Lörrach für das Amt des Oberbürgermeisters. Hier ergab sich eine kuriose Situation: Da es keinen SPD-Kandidaten gab, schaffte er mit 17,7 Prozent bis dato das höchste Ergebnis der PDS bei einer Wahl im Westen. Seit 11. November 2006 ist Diether Dehm Landesvorsitzender der PDS von Niedersachsen. Und im Bundestag sitzt er seit September 2005 als Abgeordneter der Linksfraktion.

Dehm ist ein Mann mit vielen Feinden. "Linker Yuppie", "Salonsozialist" und "Dampfplauderer" wird über ihn geschrieben. Was viele in Berlin stört: Lerryn fordert die "Vergesellschaftung von DaimlerChrysler, Deutsche Bank und anderen in Zukunft". Erstaunlich: Obwohl er oft aneckt, schaffte er es doch, in Deutschland Karriere zu machen. Und was Dehm bei aller Kritik bleibt: In Zeiten von Disco-Sound und Neuer Deutscher Welle (NDW) verhalf er dem gehobenen deutschen Pop zu einer eigenen Identität.

Joachim Eiding

Quellen: wikipedia.de - taz.de - nadir.org

music4ever.de - Was macht eigentlich ... - Nr. 2 - 6/07-I