bitte erlaubt mir vorweg ein paar Worte zur Situation in Europa: schon erschreckend, welche Kriegsrhetorik die EU unter Frau von der Leyen an den Tag legt. Statt ernsthaft mit Präsident Putin zu verhandeln oder sich zumindest daran zu beteiligen, hält diese Frau an unhaltbaren Maximalforderungen fest, die Putin nicht erfüllen kann. Er will eben keine US-Soldaten an seiner Landesgrenze und auch keine feindlichen Raketen, die auf sein Land zielen. Stellt Euch mal vor, es wäre umgekehrt. Nebenbei: Wer meint, mit Putin könnte man nicht verhandeln, zieht offenbar einen Krieg mit Russland vor. Und die Konsequenzen daraus? Wenn uns die Geschichte etwas gelehrt hat, dann das: Keiner kann Russland in die Knie zwingen. Zwei haben es schon probiert und sind elend gescheitert. Danke schön; nun aber zur Musik.
Zur Jukebox: Vier Titel der letzten Ausgabe verhedderten sich in den letzten vier Wochen: The Lovin' Spoonful - "Summer in the City", Henry Valentino - "Stan und Ollie", Duran Duran - "A View to a Kill" und Gary Moore - "Over the Hills and far away". Was gibt's auf den Rängen 11 und 12? Hier vereinfacht sich die Lage drastisch, da der 11. Platz gleich dreimal vorkommt: Duran Duran - "A View to a Kill", Bay City Rollers - "Give a little Love" und dito Supertramp - "Lady".
Von den insgesamt sechs Neuvorschlägen finden sich immerhin zwei deutsche Titel: von Lale Andersen und dem Holländer Jerry Rix, aber davon später. Starten wir unseren Durchlauf der Neuvorstellungen mit der Laufenden Nummer 11. Dort steht mit Dan McCafferty der Ex-Frontmann der schottischen Rockband Nazareth, welcher eine gelungene Cover-Version des alten Stones-Song "Out of Time" zum Besten gibt. Der Sänger, der es im Herbst 1975 auch mal solo probieren wollte, verwandelte das Werk in einen passablen Rock-Song, wobei der Refrain in einem orchestralen Sound erster Güte mündete. Ob der Orchester-Klang dann aber zur Stimme des Dan McCafferty passte, daran scheiden sich sicherlich die Geister. Klar nur, der Frontmann von Nazareth hätte es auch ohne diese Soundverstärkung geschafft. Der Erfolg dieser Kurzrille: Auf der britischen Insel sprang immerhin ein Rang 41 heraus. Doch Kritikern zufolge reichte seine Version des Songs nicht so recht an die des Chris Farlowe heran. Allerdings war McCafferty in den Siebzigern derart populär, dass die Kultrocker von Deep Purple ihn offensichtlich als Nachfolger für Ian Gillan einplanten. Ebenso soll der stimmgewaltige Schotte bei AC/DC den früh verstorbenen Bon Scott ersetzen, woraus jedoch nichts wurde. Zu seinem Markenzeichen, der rauen Reibeisenstimme gefragt, erklärte Dan McCafferty: "Nun, ich habe kein Geheimnis, ich mache mir einfach keine Gedanken darüber. Ich glaube, zu viele Sänger sind paranoid, wenn es um ihre Stimmen geht - 'sie ist zu rauchig', 'sie ist zu kalt' oder was auch immer. Aber ich habe einfach Glück gehabt, denke ich. Ich mache mir einfach keine Gedanken darüber, wenn es morgen geht, dann geht es. Warum sich also Sorgen machen?" Im Jahr 2013 trat der Sänger nach 43 Dienstjahren bei Nazareth zurück; die Lungenkrankheit COPD machte ihm gehörig zu schaffen. "Man weiß nicht, wann es losgeht, aber plötzlich kann man nicht mehr atmen … Wenn du den Job nicht schaffst, solltest du nicht dort sein - Nazareth ist zu groß dafür … In ein Studio zu gehen und zu singen, ist nicht wie ein Gig zu machen. Ich könnte immer noch eine weitere Platte machen, aber aufstehen, um eine Dreiviertelstunde zu singen und die Leute dazu zu bringen, Geld zu bezahlen, um mich zu sehen - das kann ich nicht", sagte der Schotte. Im November 2022 verließ uns Dan McCafferty für immer. Unser zweiter Track führt uns weit in die deutsche Vergangenheit zurück - ins Jahr 1939, als am 1. September deutsche Truppen ins benachbarte Polen einmarschierten, wodurch der Zweite Weltkrieg mit insgesamt zirka 60 Millionen Kriegstoten entbrannte. Und über die Schützengräben hinweg sangen die Soldaten auf beiden Seiten nur ein einziges Lied, welches aus den Volksempfängern knackte: das wundervolle "Lili Marleen" in der Original-Version von 1939 mit der ebenso wundervollen Lale Andersen. Doch nicht alle stimmten in die Hochrufe für das weltberühmte Soldatenlied ein: So ließ ein gewisser Goebbels "Lili Marleen" im April 1942 kurzerhand verbieten. Offizielle Begründung: Frau Andersen habe Kontakt zu Schweizer Juden. Als wahrscheinlicher gilt jedoch, dass den Nazis "Lili Marleen" für ein Soldatenlied nicht zackig genug erschien. Und mehr noch: Ein Dorn im Auge der kranken deutschen Machthaber war sicherlich auch die Tatsache, dass Soldaten auf beiden Seiten dem Kriegslied mit der friedlichen Botschaft einhellig lauschten. So schilderten Beobachter, dass die englischen Soldaten in Richtung der deutschen Stellungen nicht selten "Louder please, comrades" hinüberriefen. Was dann allerdings laut Quellen regelmäßig zu einem Abflauen der Kämpfe während dieser Zeit führte. Und ein britischer Kriegsberichterstatter erinnert sich: "Überall in der Wüste pfiffen englische Soldaten das Lied". Zur Geschichte des Werkes: Die ersten drei Strophen des Textes schrieb der Schriftsteller und Dichter Hans Leip schon im Ersten Weltkrieg - kurz vor seiner Abfahrt an die russische Front Anfang April 1915. Erst 1937 ergänzte er den Liedtext in der Gedichtsammlung "Die kleine Hafenorgel" um zwei weitere Verse. Bis heute umstritten scheint die Entstehung des Songtitels "Lili Marleen": Im Jahr 1948 berichtete die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), eine gewisse Lilly Freud-Marlé - eine Nichte Sigmund Freuds - habe als Kabarettssängerin Hans Leip zum Lied inspiriert, was dieser allerdings dementierte. Während der Heimatfotograf Johann Holzem behauptete, der Titel des Werkes speiste sich aus zwei Vornamen. Wie auch immer, was jedoch die Melodie betraf, existierten zwar bereits 1937 Noten des Hindemith-Schülers Rudolf Zink, jedoch machte ein Jahr später die Melodie des Komponisten Norbert Schultze die Runde. Lale Andersen favorisierte stets die melancholische Fassung des Herrn Zink und wollte an der eher zackigen Variante des Norbert Schulze keinen rechten Gefallen finden. Nichtsdestotrotz entschied sich das Berliner Label für die marschähnliche Fassung von Schulze, welche schließlich im Jahr 1938 im Studio aufgenommen wurde und als Schallplatte erschien. Und worum geht es eigentlich im Lied? Ein Soldat erinnert sich an früher, wie er mit seiner Freundin Lili Marleen an der Laterne vor der Kaserne stand, und sie auffordert, ihn da wieder zu treffen.
Nach der 12 kommt eben die 13 und hier wartet die britische Pop- und Rockband "Fogg" aus Newcastle auf uns, die leider nie so recht berühmt wurde und größtenteils in Vergessenheit geriet. Aber zu Unrecht, denn im Spätsommer des Jahres 1974 gelang ihnen mit der wunderschönen Pop-Ballade "Water in my Wine" ein erster Achtungserfolg. Die Kurzrille - im Stil irgendwo zwischen den Hollies und Slade und in den weltberühmten Abbey Road-Studios aufgenommen - dröhnte damals aus allen bekannten deutschen Radiosendern. Doch die vier Engländer änderten mit der Nachfolge-Single "Dancin' to the Music" (1975) ihren Sound zu einem Rock-Stampfer nach Art der Rock-Gruppe Mud. Auch dieser Song fand sich beim WDR gern auf den Plattentellern des Senders wieder. Vor allem der berühmte Mal Sondock legte diesen Glam-Song häufig auf, und die Hörer honorierten dies. Leider ist bis heute über diese Gruppe wenig bekannt. Bis auf folgendes: als Autoren von "Dancin' to the Music" gelten die Herren Rootham, Porteous und Robson. Und als Produzent zeichnete ein gewisser Wally Allen verantwortlich. Trotzdem viel Spaß mit dem mitreißenden Glam-Rocker dieser Außenseiter-Band. Und nun stellen wir Euch mit der Laufenden Nummer 14 ein lupenreines Musik-Phänomen vor: Der US-Amerikaner Neil Sedaka, 1939 in Brooklyn zur Welt gekommen, Spross jüdischer Einwanderer, erlernte schon als Jugendlicher das Klavierspiel und studierte an der renommierten Juilliard School klassisches Piano. Dank seiner erworbenen Kenntnisse schrieb er schon im Jahr 1958 für Connie Francis den Schlager und späteren Welthit "Stupid Cupid". Kurz später erhielt Sedaka bei RCA Records seinen ersten Plattenvertrag. Mit "Breaking up is hard to do" gelang dem noch jungen Sänger und Songwriter im Jahr 1962 sein erster Spitzenreiter in den amerikanischen Billboard-Charts. Und die Liste seiner Titel, die die Hitparaden knackten, erscheint unendlich lang: "The Diary" (1958), "I go Ape" (1959), "Oh! Carol" (1959), "Stairway to Heaven" (1960), "Calender Girl" (1961) sowie "Happy Birthday, Sweet Sixteen" (1961). Ab 1962 zur Zeit der Beatles-Invasion auf Amerika hingen die Trauben des Erfolges für Musik-Solisten unendlich hoch. In diesen Zeiten der Dürre beschränkte sich Neil auf Gigs in Nachtclubs und auf Nostalgie-Festivals. Bis ihm anno 1973 mit erstklassigem neuen Song-Material ein furioses Comeback in der Musikwelt gelang. Dafür künden Kurzrillen wie "That's when the Music takes me" (1973), "Standing on the Inside" (1973), "Laughter in the Rain" (1974), "The Queen of 1964" (1975), "Bad Blood" (1975) und dito "Love in the Shadows" (1976). Dabei erwies sich kein Geringerer als Elton John als der Architekt von Neil Sedaka's neuem Erfolg, denn der musikbessenene Engländer holte Neil rüber zu seinem eigenen Label "Rocket Records". Damit war der Grundstein für eine Karriere im England der Siebziger gelegt, obwohl sein Vinyl in den USA-Hitparaden noch hohe Popularität ergatterte: So schafften die Titel "Laughter in the Rain" und "Bad Blood" drüben je noch die Pole Position. Somit sei das Wichtigste über diesen Ausnahme-Sänger Neil Sedaka gesagt - alles, bis auf eines: Denn diesem Supertalent verdanken wir den Jahrhundert-Song "(Is this the Way to) Amarillo", den er dann an den Engländer Tony Christie weitergab. Also: Mit der 14 hört ihr den Song "Bad Blood", wo ein gewisser Elton John deutlich hörbar im Refrain mitsingt.
Mit der Nummer 15 schalten wir wieder auf die Gesangssprache Deutsch um und bringen die gelungene deutsche Version des Klassikers "Bad, Bad Leroy Brown", die ursprünglich von einem gewissen Jim Croce stammt. Der Sänger und Songwriter, welcher leider im Alter von nur 30 Jahren mit dem Flugzeug abstürzte, veröffentlichte zwischen 1966 und 1973 immerhin fünf Langrillen und ganze elf Singles: Darunter finden sich Folk-Songs und Balladen wie "I got a Name", "Time in a Bottle" und eben das berühmte "Bad, Bad Leroy Brown" (alle von 1973). Dazu erschien anno 1974 eine respektable deutsche Fassung, vom Holländer Jerry Rix interpretiert, die es sogar in die ZDF-Hitparade des Herrn Heck schaffe, aber wohl irgendwie nicht so in das Schema dieser Leute passte. Macht nix, dafür spielte der WDR das Lied in diversen Hitparaden rauf und runter. Im Deutschen geht es im Song um einen recht unsympathischen Typen namens Leroy Brown, der mit viel Geld und schmierigen Tricks die Geschicke einer ganzen Stadt lenkt und sich unentwegt mit den gesetzestreuen Bürgern anlegt. Dabei provoziert Mr. Brown seine Mitmenschen, in dem er "in Café's hockt, keinen Finger krümmt, trotzdem schon die halbe Stadt besitzt". Der deutsche Text geht auf das Konto des Textdichters Carl J. Schäuble, welcher ferner auch für Lieder von Howard Carpendale, Karel Gott, Hoffmann & Hoffmann, Cliff Richard und Katja Ebstein zur Feder griff. Wie auch immer, die Hörer des WDR honorierten den Song aufs Höchste.
Übrigens erzählte Jerry Rix gern in Interviews, wie es im Studio so zuging, als die amerikanischen Musiker mit ihnen originalen Instrumenten anrückten und bei den Plattenbossen für frischen Wind sorgten. Dies blieb kein Einzelerfolg für Jerry - so wurde bei ihm das "Let me be there" der Olivia Newton-John zu "Laß mich bei dir sein". Als Nachfolger für "Bad, Bad" brachte sein Label den lässigen Track "Hey Big Mama" auf den Markt, welcher jedoch nicht den hohen kommerziellen Ansprüchen des Vorgängers genügen konnte. Daher wagte der flotte Holländer im Jahr 1976 mit der Kurzrille "Disco Train" einen englischen Song in der Art von "Silver Convention" ("Fly Robin Fly"), wieder recht erfolgreich. So, einen Titel haben wir noch: zum düsteren November passt das Opus "The Wreck of the Edmund Fitzgerald" des kanadischen Folk- und Country-Sängers Gordon Lightfoot, den wir meines Wissens hier noch nie dabei hatten. Uns kommt Gordon nun mit einem Epos über das zweitgrößte Schiffsunglück der Menschheitsgeschichte: Am 10. November 1975 versank der Erzgutfrachter "SS Edmund Fitzgerald" während eines Sturms in den Fluten des "Lake Superior", einem der "Großen Seen". Der Text des Songs beschreibt die letzte Reise des Frachters während des schweren Sturms im eiskalten Gewässer. Jedoch bleiben die wahren Ursachen für das Sinken des Schiffes eher im Dunkeln. Angeblich zerbrach die "SS Edmund Fitzgerald" sogar in zwei Teile. Als sicher gilt, dass alle 29 Mitglieder der Crew diese Havarie nicht überlebten. Zurück zur Musik: Der Folksänger, der sich Jahrzehnte weigerte, sozialkritische Themen in sein Repertoire aufzunehmen, konnte am Ende seines Lebens auf eine prachtvolle Anzahl guter Songs zurückblicken: Denken wir zunächst an seinen kommerziellsten Titel "Sundown" von 1974, welcher gar bei Ilja Richter's Disco Erwähnung fand, oder an seine Ballade "If you could read my Mind" aus dem Jahr 1971, die allerdings erst durch die gelungene Instrumental-Version der schwedischen Band "Spotnicks" auch hierzulande bekannt wurde und im Fernsehen als Erkennungsmelodie der Olympischen Spiele 1972 in München zu hören war. Weitere namhafte Kurzrillen des Mr. Lightfoot aus Toronto: "Beautiful" (1972), "Cold on the Shoulder" (1975), "Carefree Highway" (1975), "Summertime Dream" (1976) und "Daylight Kathy" (1980), um nur einige zu nennen. Und auch Gordon's Langrillen fanden ihren Weg auf die Plattenteller: "Sundown" eroberte in den Staaten einst die Pole Position, und "Cold on the Shoulder" schaffte es auf Rang 10. Der erfolgreiche kanadische Interpret verließ uns am 1. Mai 2023 für immer.