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"Der Philosoph Platon", Foto: anderegg-web.ch

Atlantis - Mythos oder Wirklichkeit?

Seit Urzeiten rätseln die Menschen über die sagenhafte Insel Atlantis. Laut Mythos versank der geheimnisvolle Kontinent mitsamt seiner Bevölkerung innerhalb von einem Tag und einer Nacht im Meer. Doch was steckt hinter dieser Sage? Beruht sie auf Tatsachen oder hat Platon sie nur als Metapher benutzt? Und vor allem: wo vermuten Forscher heutzutage das mysteriöse Eiland? Mittelmeer oder Atlantik? Der Autor Roland M. Horn bietet neue Erkenntnisse und Ideen.

"Denn das Aufgezeichnete berichtet, wie eine große Heermacht dereinst euer Staat (Gemeint ist Athen, Anm. des Autors) überwältigte, welche von dem Atlantischen Meere her übermütig gegen ganz Europa und Asien heranzog. Damals war nämlich dieses Meer schiffbar; denn vor dem Eingange, der, wie ihr sagt, die Säulen des Herakles (gemeint ist die Straße von Gibraltar, Anm. des Autors) heißt, befand sich eine Insel, größer als Asien und Libyen zusammengenommen, von welcher den damals Reisenden der Zugang zu den übrigen Inseln, von diesen aber zu dem ganzen gegenüberliegenden, an jenem wahren Meere gelegenen Festland offenstand."
Mit diesen Worten beginnt der Philosph Platon im Dialog Timaios seinen Bericht über die wohl meist diskutierte und umstrittenste Insel aller Zeiten - Atlantis. Mehr noch als andere versunkende Kontinente oder Eilande wie Lemuria, Hyperborea oder die sagenumwobene Phantominsel Frisland erhitzt keine so sehr unsere Gemüter wie eben jene, einigen Quellen gemäß nach dem Titan Atlas benannt, welcher das Himmelsgewölbe am westlichsten Punkt der damals bekannten Welt auf seinen Schultern stützte.

Weiter berichtet Platon (427 - 347 v. Chr.) im unvollendeten Dialog Kritias von einer Seemacht, die - ausgehend von ihrer Heimat, der Insel Atlantis - einst große Teile Europas und Afrikas unterworfen hatte. Allerdings sei, so der Philosoph, der Angriff auf Athen gescheitert, und rund 9000 Jahre vor der Zeit Platons sei der mysteriöse Kontinent innerhalb "eines einzigen Tages und einer unglückseligen Nacht" in Folge eines Erdbebens in den kalten Fluten des Atlantiks auf Nimmerwiedersehen versunken. Es lohnt, den Zeitpunkt dieser Katastrophe aus unserer Sicht zu datieren: Berücksichtigen wir die Lebenszeit von Platon, ging Atlantis zirka 9500 v. Chr. unter, also vor etwa 11500 Jahren.

"Atlantis, wie von Plato beschrieben", Foto: cognitiones.de

Die Spur führt nach Ägypten

Woher bezog der griechische Philosoph seine Informationen? Wie allgemein bekannt schrieb Platon als Schüler des Sokrates die Weisheiten seines Meisters nieder, in Form von Dialogen, wie beispielsweise eben auch Timaios und Kritias. Weiter verweist Platon auf Kritias (Gesprächspartner des Sokrates), dessen Großvater den jungen Mann einst in Kenntnis setzte. Der Opa erfuhr wiederum durch seinen Vater von Atlantis, dem zuvor der berühmte griechische Staatsmann und Lyriker Solon (640 - 560 v. Chr.) davon erzählte. Als dieser nämlich Jahre vorher nach Ägypten reiste und die Stadt Sais besuchte, zeigte ihm dort ein Priester der Göttin Neith "geheiligte Schriften", welche von Atlantis kündeten.

Und Platon gibt ein erstaunlich genaues Bild des Inselreichs: "Zuerst überbrückten sie die um den alten Hauptsitz laufenden Gürtel des Meeres, um nach außen und nach der Königsburg einen Weg zu schaffen. Diese Königsburg erbauten sie aber zugleich vom Anbeginn in diesem Wohnsitze des Gottes und ihrer Ahnen  … Denn vom Meere aus führten sie einen 300 Fuß breiten, 100 Fuß tiefen und 50 Stadien langen Durchstich nach dem äußeren Gürtel, durch welchen sie der Einfahrt vom Meere nach ihm wie nach einem Hafen den Weg bahnten, indem sie einen für das Einlaufen der größten Schiffe ausreichenden Raum eröffneten." Im Detail beschreibt der berühmte Philosoph den mythischen Kontinent als eine riesige Insel, reich an Rohstoffen, vor allem an Gold, Silber und dem geheimnisvollen, "feurig schimmernden Oreichalkos". Ferner fanden sich viele Bäume, Pflanzen und Früchte auf Atlantis, ebenso diverse Tiere, darunter sogar auch Elefanten.

Als Zentrum des Kontinents galt eine 3000 mal 2000 Stadien große Ebene (etwa 600 mal 400 Kilometer), von künstlichen Kanälen durchsetzt. Auf diese Weise existierten eine Reihe von Binneninseln. Nach Platon lag die Hauptstadt des Reiches in der Mitte eines ringförmigen Systems von Land- und Wassergürteln, abwechselnd angebracht. Ein breiter Kanal verband diese mit dem offenen Meer. Auf einem Berg der innersten Insel thronte die Akropolis mit dem Poseidontempel, welcher per Edelmetall glänzte. Im Kreis um den Tempel wachten goldene Weihestatuen. Nicht zu verachten auch die stattlichen Streitkräfte von Atlantis: geschätzt 60000 Offiziere, 1200000 Mannschaften mit 240000 Pferden, 10000 Streitwagen und schließlich 1200 Schiffe.

Mythos oder Wahrheit

Seit jeher scheiden sich die Geister an Atlantis: Während die meisten Wissenschaftler heute davon ausgehen, dass es nie existiert habe, bezweifeln dies einige wenige Forscher (Atlantologen). Im Detail: Atlantis sei als "idealer Staat" nur eine Erfindung Platons, so Geologen und Historiker, um als eine Art Gedankenspiel den Athenern einen gut funktionierenden Staat vorzustellen. Oder vielleicht diente der Mythos lediglich als Warnung vor einem möglichen Angriff einer weiterentwickelten Seemacht. Könnte sein, jedoch scheint hier keine klare Deutung möglich. Vielmehr argumentieren die Befürworter der Mythos-Theorie, die Athener zu Zeiten Platons wüssten nichts von einem Sieg über die Truppen aus Atlantis ("Atlanter"); es gäbe auch keine Aufzeichnugen darüber. Umstritten sei auch, Solon als Quelle anzugeben. Nirgends, so die Mythos-Leute, sei bei griechischen Schriftstellern eine Notiz über den Besuch des Solon in Ägypten zu finden.

Die Verfechter der These, Atlantis habe es sehr wohl gegeben, halten dagegen: Zunächst sagt Platon selbst am drei Stellen seines Werkes, die Sage über die Insel entspräche der Wahrheit ("so vernimm denn, Sokrates, eine gar seltsame, aber durchaus in der Wahrheit begründete Sage", "als eine wahre Begebenheit Solon vernommen", "daß es nicht eine erdichtete Sage, sondern eine wahrhafte Erzählung ist"). Dann drängen sich Parallen zu den Werken des Homer auf: Seit Jahrhunderten gehört die Sage von Troja zu den umstrittensten Themen der Historie; etablierte Forscher verwiesen die Existenz der einst umkämpften Stadt ins Reich der Fabel. Bis Archäologen wie Heinrich Schliemann Troja schließlich fanden und freilegten. Da nun Platon, anders als der blinde griechische Dichter, als anerkannter Philosoph gilt, liegt es doch nahe, seine Berichte ernst zu nehmen. Und drittens beschrieb er, wie eingangs erwähnt, den versunkenen Kontinent peinlich genau. Weshalb sollte er diese beinahe filigrane Skizze der mysteriösen Insel nur erfunden haben? Als genialer Mensch musste er durchaus damit rechnen, in diesem Fall Jahrhunderte später als Lügner entlarvt zu werden und seinen Ruf zu ruinieren. Schlussendlich verfügt doch jede Geschichte, sogar jedes Märchen zumindest über einen wahren Kern. Denn niemand dürfte bestreiten, dass möglicherweise in grauer Vorzeit uns noch unbekannte Völker sich der Seefahrt widmeten.

"Das Archipel Santorin", Foto: venere.com

Sackgasse Santorin

Die spannendste Aspekt wartet noch: nämlich wo wir den sagenhaften Kontinent denn mit Erfolg suchen können. Eines scheint sicher, es dürfte wohl kaum einen Flecken auf unserer Erde geben, an dem Experten jeder Art Atlantis noch nicht vermutet haben, von der Antarktis bis Bayern. Wer beispielsweise Menschen auf der Straße nach der versunkenen Insel befragt, erhält meist die Antworten "im Mittelmeer" oder gar "in der Ägäis". Als heißer Favorit etablierte sich in den letzten Jahrzehnten das Archipel Santorin, welches zu den Kykladen zählt und zirka 117 Kilometer nördlich von Kreta liegt. Zumindest verkaufen clevere Touristenverbände dieses Eiland stets als das versunkene Inselreich. Ist aber Santorin tatsächlich Atlantis? Zwar künden die Ruinen der von Asche verschütteten Stadt Akrotiri an der Küste des Archipels von einem gewaltigen Vulkanausbruch um 1500 v. Chr., auf den ein riesiger Tsunami folgte.

Allerdings schränken wichtige Fakten diese These stark ein: Zum einen befindet sich Santorin nicht jenseits der Säulen des Herakles (Straße von Gibraltar), wo aber Platon einst Atlantis platzierte. Zweitens führten die Einwohner der Stadt Akrotiri zwar regen Handel, aber von Kriegen scheint nichts überliefert. Ganz zu schweigen davon, dass sich auf Santorin keine riesige Ebene findet, welche den versunkenen Kontinent geradezu charakterisierte. Und schließlich verfehlt der Zeitpunkt der Katastrophe (1500 v. Chr.) den Untergang von Atlantis um ganze 8000 Jahre. Wenn wir Platon ernst nehmen, bleibt im Grunde nur, den mysteriösen Kontinent da zu suchen, wo er vermutlich auch lag - im Atlantischen Ozean. Oder wie der Autor Roland M. Horn in seinem aktuellen Buch sagt: "Atlantis lag im Atlantik."

Atlantis im Atlantik

Welche Orte dort bekommen von den Atlantologen den Vorzug? Als heiße Tipps gelten die Azoren, die Bahamas, die Antarktis, die Straße von Gibraltar und das Keltische Schelf. Der französische Forscher Jacques Collina-Girard mutmaßte, der Untergang von Atlantis falle zusammen mit dem Ende der letzten Eiszeit, etwa 10000 - 9000 v. Chr. Da in den Kälteperioden der Wasserpegel der Meere um bis zu 150 Meter niedriger ausfiel, könne, so Collina-Girard, während dieser Zeit Land existiert haben, welches bei der Eisschmelze in den Fluten versank. Daher berechnete der Wissenschaftler den westlichen Küstenverlauf des europäischen Kontinents während der letzten Eiszeit, um 19000 v. Chr. Das Ergebnis verblüffte: Genau in der Meerenge von Gibraltar schälte sich ein kleines Archipel aus dem Meer. Problem nur, erscheint es doch leider viel zu klein für das von Platon beschriebene Atlantis.

"Die Azoren", Foto: ihden-reisen.de

Ebenso empfahlen sich auch die Azoren. Als nämlich im Jahr 1898 etwa 705 Kilometer nördlich dieser Inselgruppe ein Transatlantikkabel riss, entdeckten Techniker bei der Reparatur seltene Artefakte in immerhin ungefähr 5000 Metern Tiefe. Darunter ein merkwürdiges Stück Felsblock, ein Tachylit. Untersuchungen ergaben: Es zeugte von vulkanischer Herkunft, daher müssten sich in der Nähe viele Eruptionen ereignet haben. Weiterhin ist das Stück amorph, glasig und nicht kristallin. Daher kann es nicht im tiefen Wasser erstarrt sein, sondern an frischer Luft. Somit senkte sich dieses Gebiet in grauer Vorzeit um mehr als 2000 Meter ab. Da sich das Mineral nach 15000 Jahren im Ozean auflöst, dieses spezielle Exemplar aber noch scharfe Kanten aufwies, musste es erheblich jünger sein. Mit ungefähr 10000 v. Chr. deckt sich dies mit Platons Angaben. Leider widerspricht die Kontinentaldrift-Theorie des Alfred Wegener diesem Fundort erheblich. Denn, so die Verfechter dieser anerkannten Lehre, passe beim Urkontinent Pangäa nichts zwischen Amerika und Westafrika. Darauf kommen wir später noch zurück.

Das Keltische Schelf

Heutzutage vermuten Geologen und Archäologen Atlantis eher im so genannten Keltischen Schelf - ein unterseeisches Plateau, welches Großbritannien und Irland trägt. Paläogeographen entdeckten unter dem Schelf einen alten Fluss, der unterhalb der Irischen See entspringt. Da das Schelf zwischen 160 und 170 Metern tief liegt und die Größe des Plateaus gut zur Fläche der atlantischen Ebene passt, identifizierten viele Forscher den versunkenen Kontinent mit dieser Stelle. Und Stonehenge übernehme dann die Funktion der früheren Hauptstadt von Atlantis. Einzige Schönheitsfehler: Im Eiszeitalter verband eine Landbrücke das Schelf mit dem europäischen Festland. Dadurch wäre dieses Gebiet keine Insel in "platonischen" Sinne mehr. Auch wäre es vermutlich viel zu weit von der Straße von Gibraltar entfernt.

"Atlantis / Alter Mythos - Neue Beweise" nennt der Autor Roland M. Horn sein aktuelles Buch. Hier präsentiert Horn, wie er es formuliert, neue Fakten. Wie auch viele Kollegen tippt er auf einen Kontinent im Nordatlantik, im Gebiet der Azoren. Dabei zitiert er den Geologen Maurice Ewing, der 1948 dort unterseeische Terrassen fand, welche tatsächlich Sandschichten enthielten. "Irgendwann in der fernen Vergangenheit musste dieser in der Tiefe des Ozeans gefundene Sand an einem Strand gelegen haben, an oder nahe der Meeresküste", erklärt Ewing. Mehr noch, als Forscher die Bodenproben untersuchten, staunten sie Bauklötze: Das Bodenmaterial bestand hauptsächlich aus einer Sial-Schicht (Silicium-Aluminium), wie sonst nur die kontinentale Erdkruste - für eine Inselgruppe wie die Azoren höchst seltsam. Zeigte es doch, dass sich an dieser Stelle, so Horn, womöglich vor langer Zeit eine Landmasse befand. Weiter glaubt der Autor, dass dies der mutmaßliche Standort von Atlantis war, und der Einschlag eines großen Kometen die Insel zerstörte; ein heftiges Erdbeben und hohe Sturmfluten trugen ihren Teil dazu bei. Was die Kontinentaldrift-Theorie betrifft, meint Horn, für Südamerika stimme sie, aber zwischen Nordamerika und Westafrika hätte in Urzeiten noch Land Platz gefunden.

"Edgar Cayce - der Schlafende Prophet", Foto: nndb.com

Edgar Cayce, der Schlafende Prophet

Schließlich beruft sich Horn in seinem Buch mehrfach auf einen gewissen Edgar Cayce (1877 - 1945), den "Schlafenden Propheten". In Trance berichtete er Geschehnisse, an die er sich im wachen Zustand nicht erinnerte. So sprach er von Atlantis als einer riesigen Landmasse im Atlantik, die sich von Europa bis zum Golf von Mexiko erstreckte. Die Atlanter erschienen bei Cayce als eine hochentwickelte Kultur mit fortschrittlicher Technik, unserem heutigen Wissenstand weit voraus. Dies passt nicht zu Platons Bild einer Seemacht mit Schildern, Speeren und Schwertern, die vom frühen Athen im Krieg besiegt und zurückgedrängt wurde. Bei Cayce missbrauchten die Atlanter ihre Technologie, und es kam zu grauenhaften Unfällen. In Folge dessen zerstörte die erste Katastrophe um zirka 50000 v. Chr. einen Teil des Kontinents. Um 28000 v. Chr. spaltete eine zweite die Insel in zwei Teile. Schließlich versanken dann 10000 v. Chr. die restlichen Bruchstücke in den Fluten des Atlantiks. Und Überlebende, so Cayce, retteten sich bis nach Ägypten und begründeten die dortige Kultur. Vieles mag, auch von Roland M. Horn, spekuliert sein; erwiesen sich doch auch in der Vergangenheit Aussagen von prophetisch veranlagten Menschen, zum Beispiel Nostradamus, teils als recht ungenau. Aber, wie schon erwähnt, glänzt manche Geschichte mit einem wahren Kern.

Joachim Eiding

Quellen: www.spiegel.de - www.heise.de - www.rene-finn.de - www.helles-koepfchen.de - Atlantis / Alter Mythos - Neue Beweise, Roland M. Horn, Aquamarin Verlag, 2009 - Atlas der legendären Länder, Judyth A. McLeod, National Geographic, 2012 - Das Atlantis-Rätsel, Charles Berlitz, Zsolnay, 1976

 

music4ever.de - Extra - Nr. 75 - 05/13