••• music-4-ever - home ...   •••   übersicht - journal ... •••

"Hoch wie nie": Falco - Leben und Werk eines kreativen Egomanen

"Jeanny" ... was ist das nur für ein Mann, der so ein Wahnsinns-Lied sang?

Ein Verrückter, ein Genie - oder beides? Wieso starb er voller Drogen in einem Geländewagen in der Dominikanischen Republik? Horst Bork, der Falco für seine deutsche Plattenfirma entdeckte und managte und viele Jahre sein bester Freund war, erzählt in "FALCO - Die Wahrheit" von den wilden Jahren eines Mannes, der sehr gerne bürgerlich geworden wäre, doch dazu zu schwach war.

Ich weiß, dass die Frau, die mich erträgt
noch nicht geboren ist
Aber ich bitte Dich, komm zur Welt
("Emotional")

Ein Künstler, dessen erster und dessen letzter Hit ein auf Kokainkonsum umgedichtetes Kinderlied war? Richtig, Falco! Schon im ersten Hit "Der Kommissar" ging es um die weiße Droge ("Dreht Dich ned um, der Kommissar geht um" - "der Schnee, auf dem wir alle talwärts fahr'n, den zahlt hier jedes Kind"). Der letzte große Erfolg zu Lebzeiten Falcos, "Mutti, der Mann mit dem Koks ist da!", war ebenfalls ursprünglich ein Kinderlied, in dem es nun um Kokain ging. Ohne Zweifel ein Pülverchen, von dem der Künstler etwas erzählen konnte. Den anderen beiden falschen Freunden, die Falco hatte - Jack Daniels und Johnny Walker -, hat er dagegen keine Songs gewidmet. Dies haben ja auch bereits genügend andere Rock- und Popstars getan, im deutschen Sprachraum beispielsweise Marius Müller-Westernhagen.

Falco ist auch heute noch teils heiß geliebt von seinen Fans, doch unverstanden - ein Künstler, der an seinen eigenen Emotionen zugrunde ging und der außerhalb Österreichs und Deutschlands zwar mit "Der Kommissar" und "Rock me Amadeus" bekannt wurde und es in den USA bis auf Platz 1 der Charts schaffte, doch dort nur als Eintagsfliege galt. Ein Paradiesvogel, der doch in seiner selbstgeschaffenen Drogenhölle zugrunde ging, weil seine eigentlichen Sehnsüchte nie Erfüllung fanden.

Dass Falco in Deutschland auch heute, 10 Jahre nach seinem Tod, noch ungezählte Fans hat, liegt andererseits daran, dass sich doch sehr viele Menschen in ihm wiederfinden - ob Männlein oder Weiblein.

So war einer meiner Freunde ein großer Fan des frühen Falken, so wie er auf "Einzelhaft" und "Junge Römer" auftrat, seinen ersten beiden LPs, die auch wirklich größtenteils, auch textlich, von ihm selbst bestimmt wurden. Etwas, das Falco später in dieser Form infolge Alkohol und Drogen nicht mehr zustande brachte.

Diese Platten künden vom Zwiespalt eines Menschen, der am Widerspruch zwischen coolem (Wiener) Szeneleben und seinen eigenen Sehnsüchten zerbricht. Eben das, das auch den Menschen Hans Hölzel auszeichnete, der sich hinter der Kunstfigur Falco versteckte, sich nach dem DDR-Skispringer Falko Weißpflog nannte, und der sich für zu uncool hielt, um diese seine echte Seite zu zeigen. Und als Hans Hölzel vielleicht nie so berühmt geworden wäre. Vielleicht aber doch, denn Talent zeigte Falco nicht nur unter Drogen; im Gegenteil: Diese zerfraßen ihn.

FalcoFalco - vorne mitte - sprang schon 1980 in der Showband "Spinning Wheel" ins Auge. Links neben ihm sein späterer Band-Leader Peter Vieweger und rechts Bernhard Rabitsch, den er dann ebenfalls in seine Band holte. (Foto: Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin)

Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Hans Hölzel war dabei Dr. Jekyll - ein netter Mensch mit guten Umgangsformen, der von Eltern durchaus als Schwiegersohn akzeptiert worden wäre und sich auch nichts mehr wünschte, als eine bürgerliche Familie zu gründen. Doch auch der Mr. Hyde in ihm, der Womanizer und Partyhengst, wollte heraus. Als Kunstfigur "Falco" konnte sich Hans Hölzel dabei mit dem "Kommissar" über diesen Zwiespalt und die Wiener Partyszene lustig machen, rutschte jedoch ungewollt selbst in diese Niederungen hinab.

Mein damaliger Freund war nicht nur ein großer Falco-Fan, sondern hatte ohne Zweifel auch einiges mit Hans Hölzel gemeinsam. Beispielsweise den Ehrgeiz, auf Partys immer den coolen Abräumer geben zu müssen, dem die Damen zu Füßen liegen - während die in Wirklichkeit hinter seinem Rücken über "diesen besoffenen Möchtegern-Macho" lästerten und er denn, wenn er schon mal punkten konnte, einer echten "Schlampe" zum Opfer fiel, die auch mir den ersten Kuss beschert hatte, doch beim nächsten Besuch der Clique plötzlich zwei oder drei Männer-Unterhosen hochhielt und erzählte, wer die jeweils bei ihr vergessen habe ...

Heute ist der Betreffende leider nicht mehr mein Freund, da ich ihm nicht mehr cool genug bin und bei Aktionen, die mein Leben ruinieren könnten, auch mal "nein" sage. Im Gegensatz zu Falco/Hans Hölzel lebt er aber immerhin noch.

Horst Bork war Hans Hölzel ein echter Freund und will mit seinem Buch definitiv nicht posthum von Falco profitieren, sondern einige falsche Gerüchte aus der Welt räumen, einige Wahrheiten über Falco bestätigen, einiges aus seinem Leben klarstellen, das bislang unbekannt war und vor allem Falco gedenken. Fehler scheinen kaum darin zu sein, lediglich bei der Seesendertätigkeit von Willem van Kooten (Seite 85 im Buch) hat Horst Bork einiges durcheinandergebracht: Radio Caroline war der Sender des Iren Ronan O'Rahilly, van Kooten hatte für Radio Nordsee und Radio Veronica als DJ gearbeitet, diese aber nicht besessen.

Das Buch ist also definitiv etwas für jeden, der die Musik und Texte Falcos mochte und ihn in guter Erinnerung behalten möchte, während die gleichzeitig aufgetauchten alten Aufnahmen für ein geplantes neues Album inklusive "Jeanny 3" nicht wirklich beeindrucken und nicht ohne Grund verschollen waren. Sie wurden nun unter dem Titel "The Spirit never dies" veröffentlicht.

Entdeckt hatte Horst Bork Falco ganz früh, als dieser einerseits mit der wilden Wiener Kunsttruppe "Drahdiwaberl" durch die Lande zog und unter diesen Mitspielern richtig brav und fehl am Platze wirkte. Andererseits mit der braven Showband "Spinning Wheel" seinen Lebensunterhalt verdiente und auch hier schon im coolen Falco-Outfit auf die Bühne trat.

Denglisch statt Englisch

Überraschend und den meisten Falco-Fans unbekannt ist dagegen, wie sehr der Künstler die USA und auch England ablehnte. Eigentlich waren sein Markenzeichen doch "denglische" Songs, in denen englische Sätze und Sprachfetzen im Rapstil mit deutschen wechselten. Doch war dies das Maximum, das Falco dem englischen Sprachraum zugestehen wollte: Er weigerte sich zeitlebens, seine Hits auch in einer richtigen zweiten Version auf Englisch zu singen, um sie weltweit vermarkten zu können. Songs mit deutschen oder gar wienerischen Textteilen hatten es dagegen international einfach schwer.

Deshalb wurde "Der Kommissar" außerhalb Deutschlands in einer gegen seinen Willen und hinter seinem Rücken von der damaligen Plattenfirma lizensierten englischen Version von "After the Fire" bekannt. Das Original von Falco kam im Ausland erst nach der Cover-Version heraus und war in den Hitparaden dann natürlich weniger erfolgreich, weshalb mancher UK- oder US-DJ auch heute noch fälschlich verkündet, der Song sei gar nicht von Falco, sondern das Original sei die "ATF"-Cover-Version. "Rock me Amadeus" wurde dagegen von den Produzenten Bolland & Bolland ohne Falcos (verweigerte) Mitwirkung, dem all dies zu "platt" war, mit einem englischsprachigen Intro ergänzt und schaffte in dieser Remix-Version außerhalb des deutschsprachigen Raums Platz 1 der Hitparaden - ein absolutes Novum jener Zeit.

Dass Falco sich ebenso weigerte, "Emotional" in englisch einzusingen und hierzu - sowie bei anderen wichtigen Anlässen - immer wieder Studiotermine platzen ließ und ausländische Plattenbosse und Producer vergrätzte, darunter immer wieder seine größten späteren Hit-Schreiber "Bolland & Bolland", ist der eine Grund, warum es mit seiner Karriere nach 1986 bergab ging. Ein weiterer Grund sind die Rock'n-Roll-Drogen Alkohol und Kokain sowie diverse unbekannt gebliebene Psychopharmaka. Der dritte Grund für das Scheitern des Falken sind die missglückten Beziehungen zur Weiblichkeit, insbesondere zu Isabella Vitkovic, die nicht nur - wie alle seine Frauen - ihn auf Dauer nicht ertrug, sondern ihm auch noch ein Kind unterschob. Das er sich anfangs durchaus bereitwillig unterschieben ließ, die Augen vor der Realität verschloss: Die Nacht, in der es hätte gezeugt sein sollen, war Falco viel zu sehr unter Drogen, um zu so etwas imstande gewesen zu sein. Dafür jammerte er dann später nach einem Vaterschaftstest umso schrecklich-selbstzerstörender öffentlich darüber, so hintergangen worden zu sein.

Auch scheiterte die internationale Karriere daran, dass Falco im entscheidenden Moment nicht in die USA umziehen wollte, was neben seiner generellen Amerika-Abneigung und trotz eines in der Nähe von Hollywood gefundenen Traumhauses davon entschieden wurde, dass einer seiner Freunde dort kurz zuvor unter nie geklärten Umständen ermordet worden war. Und ja: Falco schlug die Offerte aus, mit Madonna ein Duett zu singen!

Es gibt also viele "Wenns" und "Abers", die Falco vielleicht ein längeres Leben beschert hätten, wenn die Entscheidungen damals anders gefallen wären. Andererseits war die Arbeit und das Leben mit Johann Hölzel Dauerstress - auch Horst Bork hatte am Ende aufgegeben, um selbst nicht mit unterzugehen.

Die Geschichte von "Jeanny"

Und die Geschichte des Skandal-Hits "Jeanny"? Der zuerst ein halbes Jahr bereits von den Südtiroler Piratensendern auf "Falco III" entdeckt und von den DJs dort auf und ab gespielt worden war, doch erst zum Skandal wurde, als er offiziell auf Single veröffentlicht worden war? Weil es einfach so klang, als ob Jeanny nicht freiwillig, sondern gewaltsam im kalten, nassen Wald gelandet war? Der von vielen jungen Frauen begeistert hundertmal und mehr mit geschlossenen Augen träumend abgespielt und angehört wurde, obwohl diese sicher nicht wirklich in den Wald geschleppt und vergewaltigt werden wollten?

Nun, auch dies war ein Bolland & Bolland-Song. Doch Falco schrieb ihn im Alkohol- und Kokain-Rausch erst noch etwas um und schrie sich dann im Studio auf dem Boden kniend geradezu die Seele aus dem Leib - um anschließend erschöpft auf dem Studioboden einzuschlafen.

Dass jemand so wie ein Wahnsinniger schrie, und das zum Song gedrehte Video die Bilder im Kopf des Hörers eines in den Wald verschleppten Mädchens noch steigerten, sorgte dann dafür, dass das Spiel um doppeldeutiges Kopfkino eskalierte und die Plattenfirma schließlich sogar Aufkleber mit dem Aufdruck "Jeanny lebt!" verteilen musste, um den Vorwurf abzuwehren, ein Verbrechen zu verherrlichen. Doch dies führte nur zur Witzelei "Jeanny klebt", und die Liebe der Fans zu diesem Song war ohnehin nie zu brechen.

Falco - Hans Hölzel - war ein Mensch, der sich selbst sein größter Feind war, sich selbst unter einen unerfüllbaren Druck setzte, sich nur gestattete, haushoch zu siegen ("Hoch wie nie") oder mit fliegenden Fahnen unterzugehen. Gesiegt hat Falco erstaunlich oft, doch 1998 in der Dominikanischen Republik hat er schließlich sein Glück überreizt. Doch das war leider ohnehin nur eine Frage der Zeit gewesen...

Jeanny, quit living on dreams
Jeanny, life is not what it seems
Such a lonely girl
In a cold cold world
("Jeanny")

Buch/FalcoCover: "Falco: Die Wahrheit"

Wolf-Dieter Roth

 

Quellen:

1. zum Buch:
Horst Bork, "Falco: Die Wahrheit"
Wie es wirklich war - sein Manager erzählt
352 Seiten plus Bildteil, € 19,90
Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-89602-921-8
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2009

2. zum Thema Radiosender:
http://www.radio.journal.de/rni-memories/teil06/teil06.htm

 

music4ever.de - Anekdote - Nr. 41 - 2/10